„Der Pate“, „Donnie Brasco“ oder „Scarface“: Al Pacino hat die größten Gangsterrollen zu Meisterwerken in Hollywood veredelt: Jetzt wird er 80.
Es ist diese große Filmszene, in der Michael Corleone vom netten jungen Burschen zum Killer wird. Auch Hollywoodkollegen haben Al Pacino immer wieder ihre Bewunderung versichert für diesen Auftritt, für seine Mimik in diesen Momenten höchster Anspannung, in der die innere Zerrissenheit so greifbar ist, die Qual der
Entscheidung schmerzt, ehe Michael am Tisch der kleinen Trattoria schließlich aufspringt und einen Mafioso und einen korrupten Polizeioffizier niederschießt.
Francis Ford Coppolas meisterhafte Mafia-Oper „Der Pate“ machte Al Pacino zum Weltstar, und mit dieser Szene, die für manchen Schauspieler zum Maß der Darstellungskunst wurde, kokettierte Pacino immer wieder gerne: „Vielleicht habe ich in dem Moment eher gedacht, wie lange ich noch hier sein werde -- ich stand nämlich kurz davor gefeuert zu werden.“
Drei Kinder hat er, verheiratet war er nie
80 wird der Filmstar aus New York an diesem Samstag, das schwarz gefärbte Haar mit den silbernen Strähnen ist immer noch einen Tick zu lang, das Hemd immer noch einen Knopf zu weit geöffnet, was denn auch sonst? Cool buchstabierte man über Jahrzehnte a-l-p-a-c-i-n-o, und so eitel er auch sein mag, dass er so klein ist wie viele Große seiner Zunft, wie Nicholson, De Niro oder Hoffman, hat er mit Tricksereien vor der Kamera nie kaschiert.
Drei Kinder hat er, verheiratet war er nie, die israelische Schauspielerin Meital Dohan (40) trennte sich Anfang des Jahres von ihm -- der Altersunterschied, verriet sie Klatschblättern unverblümt.
Schmerzhaft für seine vielen Bewunderer ist indes, dass man ihn eher selten noch in gescheiten Rollen erlebt,
was keineswegs seinem Alter geschuldet ist, sondern seiner Rollenauswahl. Kompromisse ging Pacino nur auf der Bühne nie ein, wo er als Shylock in „Der Kaufmann von Venedig“ das Theaterpublikum so sehr frösteln ließ wie als „Richard III.“.
Ähnlich wie sein New Yorker Buddy Robert De Niro hat er sich an zahllose Filme verschwendet, die seine Mitwirkung nie verdient hätten, Streifen, in denen er zur Parodie seiner selbst verkam. Beiden Schauspielern wird die Lust aufs große Geld nachgesagt.
Kaputte Jugend in der Bronx
Vielleicht ist das eine Spätfolge seiner kaputten Jugend in den schäbigen Ecken der New Yorker Bronx. Mit neun fängt Alfredo James Pacino an zu qualmen und Alkohol zu trinken, mit 13 kifft er, mit 17 schmeißt er die Schule und wurstelt sich mit Gelegenheitsjobs durch. Am berühmten Actor’s Studio, das Legenden wie Marlon Brando formte, reift er als junger Mann zum „Method Actor“, der Schauspieler, der vollends mit seiner Rolle verschmilzt.
Filmproduzent Robert Evans will aber trotzdem Jack Nicholson für die Rolle des Michael Corleone 1971 in „Der Pate“ und nicht dieses Milchgesicht. Regisseur Francis Ford Coppola will Pacino und setzt sich durch. Regisseur Francis Ford Coppola will Pacino und setzt sich durch. In der Tat wackelt das Projekt mehrfach, bis Pacino auch Evans überzeugt – mit der Restaurantszene. In der nicht weniger perfekt inszenierten Fortsetzung drei Jahre später ist er schon die ganz große Nummer.
Einen Oscar und vier Golden Globes gewinnt Al Pacino
Einen Oscar, vier Golden Globes, neun Oscar- und 19 Golden-Globe-Nominierungen bei rund 60 Filmen verdient man sich
nicht nebenher, aber auch wenn Pacino in Martin Scorseses „The Irishman“ unlängst noch einmal zu großer Form auflief, und einen köstlichen Gastauftritt als öliger Produzent in Tarantinos „Once Upon a Time in Hollywood“ hat: Es sind die 70er-Jahre, in denen Pacino Maßstäbe setzt, in denen er das junge, kritische US-Kino so prägt, wie wenige andere Filmschauspieler.
Als Undercover-Ermittler in „Serpico“, der die ganze New Yorker Polizei gegen sich aufbringt, als Bankräuber in „Hundstage“, der seinem Liebhaber eine Geschlechtsumwandlung bezahlen will, als kämpferischer Anwalt in „Und Gerechtigkeit für alle“.
Pacino beherrscht die Szenerie, er ist das vibrierende Alphatier, der Panther auf dem Sprung, vor dem man besser in Deckung geht. Sein müder Blick und der schleppende Gang sind ein perfektes Täuschungsmanöver: Dieses Pulverfass aus Fleisch und blut kann jederzeit explodieren. Pacino gibt mit kehlig heiserer Stimme den teuflischen Verführer, Helden und Verlierer, Jäger und Gejagte, jede Menge Cops und noch mehr breitbeinige Gangster.
Als „Scarface“ wird Al Pacino zur Kultfigur
Als er mit zwei gewaltigen Bleispritzen auf einer regelrechten Showtreppe eines obszön geschmacklosen Anwesens die Magazine leerballert, wird er zur Kultfigur: Der Kopf des größenwahnsinnigen Proletengangsters Tony Montana aus dem blutig-barocken Killerspektakel „Scarface“ ziert mindestens 100.000 T-Shirts. Pacino agiert mit rollenden Augen und infernalischem Gebrüll hart an der Grenze zur Macho-Karikatur, aber das Publikum feiert diese Show.
Es dauert lange, bis Pacino zur Kunst der Kleinigkeiten zurückkehrt, als Ermittler in Michael Manns
grandiosem Krimi „Heat“ 1995, vor allem aber in „Donnie Brasco“ 1997, wo er in seiner Rolle als kleines Rädchen im Mafia-Getriebe noch einmal zur alten Form findet. Wie dieser bemitleidenswerte Ganove Lefty Ruggiero am Ende, praktisch zur eigenen Hinrichtung zitiert, in der Wohnung seine goldene Uhr sorgsam in die Schublade legt, die Jacke langsam überstreift, den Hut aufsetzt und seiner nichts ahnenden Frau einen Abschiedskuss gibt, das ist wieder so eine Szene. Nicht voller Sprengkraft wie in „Der Pate“. Aber genau hinsehen sollte man auch hier. Man kann das besser nicht spielen.