In „The Irishman“ stehen noch einmal Hollywoods Legenden gemeinsam vor der Kamera – unter der Regie von Großmeister Martin Scorsese.

Von Lars Tunçay

Das Herz vieler Cineasten schlug höher, als Martin Scorsese ankündigte, noch einmal mit seinem Cast aus „Casino“ und „Good Fellas“ drehen zu wollen. Schließlich gelten die beiden Filme aus den Jahren 1990 und 1995 als seine Meisterwerke. Sie zeigen einen Regisseur und die Riege einiger der besten Schauspieler Hollywoods auf dem Zenit ihres Schaffens. Dagegen ist „The Irishman“ nun das Alterswerk eines Großmeisters und seiner Darsteller. Dennoch ist das Wiedersehen jede einzelne der 210 Minuten wert.

Die Geschichte dreht sich um Frank Sheeran (Robert DeNiro). Es sind die 1950er. Sheeran, der für die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg kämpfte, arbeitet als Lastwagenfahrer in Philadelphia, um seine Familie zu ernähren. Mit einigen Tricks und seiner Unschuldsmiene schafft er ein wenig Geld zur Seite und macht die Bekanntschaft mit Rosario Alberto Bufalino (Joe Pesci), „Russel“ genannt von seinen Freunden, zu denen bald auch Frank gehört.

Auch Joe Pesci ist in „The Irishman“ mit dabei

Russel stammt aus einer einflussreichen italienischen Familie und ist ein gefürchteter Mann. Frank, von allen wegen seiner Herkunft „Irish“ genannt, wird einer seiner Handlanger, die Geld eintreiben und unliebsame Konkurrenten aus dem Weg schaffen. Er steigt in Russels Gunst, die Familien treffen sich und Frank erweist sich als loyaler, ehrlicher Mitarbeiter.

Das führt schließlich dazu, dass Russel ihn Jimmy Hoffa (Al Pacino, kl. Bild, re.) empfiehlt. Der landesweit bekannte Gewerkschaftsboss benötigt einen Bodyguard und die beiden Männer verstehen sich auf Anhieb prächtig. Frank wird Jimmys engster Vertrauter und stellt sich damit immer mehr gegen Russel, der schließlich ein Zeichen seiner Loyalität verlangt.

Großartige Dialoge, brillanter Cast

Die Affäre rund um den charismatischen Jimmy Hoffa ist in den Staaten allgemein bekannt, schließlich war er einer der einflussreichsten Männer der USA in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Eine gewisse Vorkenntnis sollte man auch mitbringen, wenn man in den dreieinhalb Stunden nicht die Übersicht verlieren will. Scorsese führt zahlreiche Figuren ein, deren Todesdaten und Todesarten er immer wieder kurz einblendet, wenn sie das erste Mal die Bühne betreten.

Aber auch wenn man „The Irishman“ ohne Vorwissen schaut, wird man durch die wie immer fesselnde Erzählerstimme von Robert DeNiro zum Komplizen der Geschichte. Es ist schon eine bemerkenswerte Leistung, dass Scorseses Film zwar lang ist und einen großen Bogen schlägt, dabei aber nie langweilt. Das liegt zum einen an den großartig geschriebenen Dialogen von Steven Zaillian („Schindlers Liste“), der den Tatsachenroman von Charles Brandt adaptierte, zum anderen an den wahren Meistern der Schauspielkunst.

Technik, die begeistert

Mit einem technischen Kniff wurden die Gesichter von DeNiro, Pesci und Pacino verjüngt, um die über drei Jahrzehnte währende Geschichte in vollem Umfang erzählen zu können. Das Ergebnis ist erschreckend real und wird nur jenen auffallen, die ganz genau hinschauen. Im Fernsehen verliert sich das bei den meisten wohl ohnehin auf der Mattscheibe. Eigentlich gehört „The Irishman“ aber dorthin, wo er hoffentlich nicht nur die zwei Wochen vor dem Start bei Netflix zu sehen ist: ins Kino.

The Irishman
3 Std. 30 Min.
Onlinestreaming, Netflix
FSK 16, Wertung: 5 / 5 Punkten.