Essen. Quentin Tarantino liefert mit „Once upon a time in Hollywood“ ein großes Kinomärchen aus dem Jahr 1969. Voller Zitate und großartiger Dialoge.

Brad Pitt und Leonardo DiCaprio in einem Film – das klingt als würde man zum Film Popcorn und Nachos in sich hineinstopfen. Andererseits: Bei knapp zweidreiviertel Stunden Tarantino – da braucht man schon ein bisschen Futter. Und Tarantino liefert reichlich in „Once upon a time in Hollywood“.

Was sind Tarantinos Filme – und wenn ja, wie viele?

Zehn Filme will Tarantino drehen, nicht mehr. Bisher gibt es „Reservoir Dogs“, „Pulp Fiction“ „Four Rooms“ (Teilregie), „Jackie Brown“ „Kill Bill – Volume 1“, „Kill Bill – Volume 2“, „Death Proof – Todsicher“,„Inglourious Basterds“, „Django Unchained“ und „The Hateful Eight“ (2015). „Four Rooms“ zählt er allerdings nicht mit – und die „Kill Bills“ zählt er als einen Film. Also hat er noch einen Film frei ...

Sein neues Kinomärchen ist quasi ein einziger Zitatenschatz der großen Zeit des Hollywood-Kinos und eine Zeitreise in das Jahr 1969 – mit coolen Straßenkreuzern, Neonreklamen und fantastischer Musik. Damals war Amerika noch einmal so richtig groß, zumindest im Träumen. Im Märchenwald voller Zitate aber zitiert Tarantino vor allem Tarantino. Was ja nicht das Schlechteste ist. In weiten Teilen ist es sogar eine Art Rückkehr zu seiner palmen-prämierten Pulp Fiction.

Worum geht’s? Im Wesentlichen folgen wir dem allmählichen Niedergang des B-Movie-Schauspielers Rick Dalton (Leo DiCaprio), der sich nur deswegen am Set noch einigermaßen wacker schlägt, weil sich sein Stuntman Cliff Booth (Brad Pitt) für ihn schlägt. Diese wechselseitige Abhängigkeit macht die beiden zu Freunden im Niedergang, den der Agent Schwarz (eine großartige Nebenrolle für Robert De Niro) aufzuhalten versucht. Unter anderem, indem er Rick Dalton den Umweg über Spaghetti-Western empfiehlt.

Roman Polanski und Sharon Tate als Nachbarn

Rick Daltons Nachbar in den windgepeitschten Hollywood-Hills ist Roman Polanski. Ihn und Sharon Tate begleiten wir gewissermaßen auf dem aufsteigenden Ast – in der Gegenbewegung zum sinkenden Stern von Dalton und Booth. Das aber ist auch schon der einzige weitere Handlungsstrang. Sharon Tate (Margot Robbie) darf sich auf Hugh Hefners Hollywood-Party vergnügen, schmuggelt sich ins Kino, um sich selbst auf der Leinwand zu sehen – ganz so, als können sie nicht glauben, Teil der Filmwelt zu sein.

Pitt (li.) und DiCaprio in „Once Upon a time in Hollywood“
Pitt (li.) und DiCaprio in „Once Upon a time in Hollywood“ © Handout | Sony

Die Geschichte wird für Tarantino-Verhältnisse geradlinig erzählt, ohne Zeitsprünge. Es gibt, sogar Inserts, die Ort und Zeit erwähnen – und notfalls kommt die Stimme aus dem Off und erläutert, was zwischendurch geschah – so, als seien wir Kinogänger im August 1969.

Für die gibt es reichlich Film im Film: Rick Dalton, den wir in alten Folgen einer schwarz-weißen Westernserie sehen. Und natürlich beim beliebten Nazis-Wegbrutzeln, auch das eine Rick-Dalton-Filmrolle. Dalton muss vorspielen für die Pilotfolgen möglicher Fernsehserien und sich von einem altklugen jungen Mädchen belehren lassen, wie schauspielern richtig geht. Da hilft nur noch der Whisky Sour im eigenen Wohnwagen.

Sein Stuntman darbt mit ihm, darf sich in asiatischer Kampfkunst üben und ihm daheim die Satellitenschüssel richten. Er trifft ein Hippiemädchen und gerät auf diesem Wege auf die Spahn Movie Ranch, wo er selbst dereinst drehte und jetzt dummerweise eine durchgeknallte Hippiegruppe um einen gewissen Charles Manson haust.

Hochspannung auf Spahn’s Movie Ranch, wo Booth auf Charlie Manson trifft

Dass Cliff Booth den alten Farmbesitzer besuchen will, der eigentlich nicht in seinem Mittagschlaf gestört werden darf, gehört zu den spannungsgeladensten Sequenzen, während wir aufs wie immer bluttriefende Tarantino-Ende zusteuern.

1969 war alles größer. Der Hubraum, die Autos und die Straßen. Jedenfalls gibt es für Rick Dalton und Cliff Booth keine Staus.
1969 war alles größer. Der Hubraum, die Autos und die Straßen. Jedenfalls gibt es für Rick Dalton und Cliff Booth keine Staus. © Sony Pictures | Sony Pictures

Zuvor gibt es reichlich Raum und Zeit für Dialoge und Spiele. Für DiCaprios fantastisches Over-Acting beim verzweifelten Kampf um neue billige Rollen. Und bei Brad Pitts cooler Sexyness – er darf auch mal mit nackten Oberkörper in Hollywoods Sonne erstrahlen und fährt im eigenen Karmann Ghia weit eleganter als in Daltons riesigem Cadillac Coup de Ville, den er chauffieren muss, weil Dalton längst seinen Führerschein versoffen hat.

100 Millionen Dollar durfte Tarantino ausgeben, um noch einmal das Los Angeles des Jahres 1969 entstehen zu lassen. Wie stets und wie in der guten alten Zeit hat er es auf Zelluloid gedreht – Tarantino macht keine Pixel. Er macht Filme. Und erzählt Märchen.