Essen. Die Bibel als Comic. Geht denn das? Es geht. Underground-Ikone Robert Crumb hat das Buch „Genesis” illustriert. Wer nun argwöhnt, dass hier ein Spötter lästern will, wird überrascht vom Respekt des alten Meisters

Die Geschichte ist unerhört, es geht um Menschenopfer, Inzest, Brudermord und Masturbation. Und damit wären wir noch nicht einmal in Sodom und Gomorra angelangt.

Bevor Sie sich nun sittlich entrüsten: Das steht in der Bibel, in einer der ältesten Überlieferungen unserer Zivilisation, im Buche „Genesis”. Dieser uralten Geschichte hat sich Robert Crumb angenommen, Vater von „Fritz The Cat”, Schöpfer zahlloser Underground-Comics, in denen ohne jede Frömmigkeit Drogen, Alkohol und Körperflüssigkeiten verkleckert wurden.

Er hätte den Ruf als Spötter zu verteidigen

Da läge der Verdacht nahe, dass Crumb hier ein Schmierenwerk abliefern wollte, schließlich hätte er einen Ruf als Spötter zu verteidigen. Doch schon die Einleitung zerstreut Bedenken: „Ich, R. Crumb, Illustrator dieses Buchs, versichere hiermit, dass ich den Originaltext der Bibel nach bestem Wissen und Gewissen wortgetreu und ungekürzt wiedergegeben habe”, steht da. Und wo eine solche eidesstattliche Erklärung ja allerlei Spielraum für Lästerung in Bildern ließe, klammert sich Crumb auch zeichnerisch an die Vorlage. Nicht, weil er im Alter zurück unter den Rock der Religion schlüpfen möchte, sondern aus Respekt vor Alter und Macht dieser Worte.

Textlich darf man keine neue Silbe von Crumb erwarten, er hält sich an die King-James-Bibel, im Deutschen zog man die Lutherbibel in der Fassung von 1912 heran, was ein Wiederlesen mit mancher Altertümlichkeit beschert und dem Ganzen ein für einen Comic starres, sperriges Korsett gibt. Und wie schon gesagt: Auch von den Zeichnungen her gibt sich Crumb konservativ. Gott etwa ist ein alter Mann mit langem, weißem Bart und stets grimmigem Gesichtsausdruck, den er selbst am siebten Tage nicht verliert, an dem er sich zufrieden zurücklehnen könnte.

Natürlich bleibt Crumb ein echter Crumb, zumindest was die Proportionen seiner Frauengestalten angeht.

Nicht nur Eva verfügt über eines dieser üppigen, von Robert Crumb so innig geliebten Hinterteile. Allerdings hält er sich in der Darstellung expliziter Stellen zurück: Keine Orgien in Sodom, kein Voyeurismus beim armen Onan, selten spritzt Blut.

Angemessen für die düstere Vorlage

Crumbs Darstellungen sind zumeist einer ernsthaften, halbwegs kritischen Auseinandersetzung mit den Gesellschaften der Sumerer, Ägypter und anderer archaischer Völker geschuldet, in Schwarzweiß gehalten, angemessen für die düstere Vorlage – auch, weil eine Koloration ihn fünf weitere Jahre gekostet hätte. Will man seinen Zeichnungen einen Vorwurf machen, dann allenfalls jenen, dass viele der Gestalten tumb aussehen, ihr Leben sehr armselig wirkt.

Man darf also keine große, neue Auslegung jener alten, überlieferten Geschichten erwarten, aber eine behutsame, ernsthafte Annäherung an ein Original, das viele nur in märchenhaft verbrämten Kinderbibelfassungen kennen – oder als hollywoodtauglichen Monumentalschinken. Denn der Stoff, siehe oben, ist dafür gut.

Robert Crumbs „Genesis”, Carlsen, 228 Seiten, 29,90 €