Köln. Es ist ein Plädoyer für große Träume, breite Hüften und riesige Haartürme: John Waters Musical „Hairspray” im Kölner Musical Dome bietet ab Sonntag drei Stunden lupenreines Entertainment mit bunten Kostümen, flotten Tanznummern und Gags, die im Deutschen nur manchmal eine Geschmacksfrage sind.

20 Uhr in Köln, Bühnen-Zweigstelle Baltimore. Tracy Turnblad twistet gleich singend aus dem Schlafsack. Das hochtoupierte Haar sitzt. Knapp drei Stunden später: ein Begeisterungssturm fegt durch den Saal des Kölner Musical Domes – Tracys Turmfrisur hält immer noch tiptop.

Dabei ist der pummelige Teenager gleich mehrfach mit dem Kopf durch die Wand, hat sich den Traum vom Tanzen in einer TV-Show erfüllt, der dürren Schulschönheit den Freund ausgespannt, mit schwarzen Jungs geschwooft, einen Ausbruch aus dem Frauenknast hinter sich und die amerikanische Rassenpolitik der 1960er Jahre auf den Kopf gestellt. „Hairspray”, das Musical von John Waters, macht's möglich. Nach zwei kultverdächtigen Filmen, sieben Jahren am Broadway, etlichen Musical-Auszeichnungen und Lob am Londoner Westend ist die Produktion nun in Köln angelangt. Die Show ist ein einziges Loblied aufs Volumen – mit breiten Hüften, großem Herzen, vollem Haar. Eine XXL-Ration an guter Laune, die ab Sonntag achtmal die Woche ans Publikum verteilt wird: You Can't Stop the Beat!

„Männer”-Star in Kittelschürze

Halt stopp, natürlich ist „Hairspray”, wie in hiesigen Musical-Großproduktionen inzwischen üblich, rundum eingedeutscht. Was noch sehr amerikanisch klingt, wenn sich eine imposante Motown-Diva wie Deborah Woodson als Motormouth Maybelle mit starker Stimme durch den Bekenntnissong „Ich weiß wo ich war” gospelt. Die Resonanzkörper sind groß, die Kulissen knallbunt und die Musik weniger synthetisch als in anderen Produktionen. Das bedingt schon die dampfende Sixties-Mischung aus Rock'n'Roll, Rhythm'n'Blues und Soul.

Dass mit Maite Kelly, Sproß der Kelly-Familie, dabei kein „gelernter” Musical-Star an der Ensemble-Spitze steht, macht die Sache nicht schlechter. Mit Schalk, Charme und offensivem Moppel-Ich meistert sie ihr Tanzpensum mit der Sprungkraft eines dicken Flummis. Als besonderer Besetzungs-Coup gilt zudem Uwe Ochsenknecht als Turnblad-Mama Edna; die Rolle wird traditionell mit einem Mann besetzt, im Kino zuletzt mit John Travolta. Der „Männer”-Star in Kittelschürze vorm Bügelbrett – das ist für einen Szenenapplaus gut, zieht seine Originalität bald aber vor allem aus den grellen Fummeln, in die die kernige Edna die 90-G-Oberweite zwängt. Mindestens bis Ende März wird Ochsenknecht im Wechsel mit Comedian Tetje Mierendorf seinen Bühnen-Ehemann Wilbur becircen. Vertrags-Verlängerung nicht ausgeschlossen.

Lupenreines Entertainment mit flotten Tanznummern

Das dicke Ende für „Hairspray” ist jedenfalls so schnell nicht abzusehen. Denn ausgerechnet der einst als Bürgerschreck verrufene Regisseur John Waters hat mit seinem Kinofilm von 1988 der Bühne etwas Solides geliefert – lupenreines Entertainment mit bunten Kostümen, flotten Tanznummern und Gags, die im Deutschen nur manchmal eine Geschmacksfrage sind.

Der amerikanische Gleichheits-Traum wird längst weiter besungen. Auf „Hairspray” folgt gerade „Hope”- ein Musical über Präsident Obama.