Oberhausen. Hausherr Peter Carp inszeniert im Theater Oberhausen Tennessee Williams' Südstaatendrama „Endstation Sehnsucht” leicht hektisch. Gegenseitige Zerfleischung und Nervenkrieg bleiben auf der Strecke.
Für diese Liturgie leidender Herzen gibt es keinen Ausweg, aber es gibt auch keinen festen Ort in einer Welt des dramatischen gesellschaftlichen Wandels. Oberhausens Intendant Peter Carp siedelt Tennessee Williams' Südstaatendrama „Endstation Sehnsucht” in einem Land namenloser Tristesse an. Regie und Ensemble bedachte das Premierenpublikum mit starkem Applaus.
Vom Dachgeschoss über der vom Möbeldiscounter zusammengewürfelt eingerichteten Zweiraumwohnung der Kowalskis aus (Bühne: Kaspar Zwimpfer), blickt man über die Trostlosigkeit einer Industriekulisse. Hier lebt Stella, die das elterliche Landgut längst geflohen ist, mit ihrem Stanley, einem halbwegs liebenswerten Rohling, dem nach einer missratenen Pokerrunde schon mal die Hand ausrutscht. Mit der Versöhnung im Bett ist auch für Stella die Welt wieder in Ordnung, sie hat sich gefügt. Bis Blanche, die ältere Schwester, sie besucht.
Zwei Welten prallen aufeinander: Stanley, ein von größeren Gefühlsregungen freies Kind der Straße, und Blanche, die auf dem morbiden Seil ihrer großen Vergangenheit balanciert und dabei längst Schaden an der Psyche genommen hat. Stringent führt der Weg in die Katastrophe, Stanley vergewaltigt seine Schwägerin, was sie endgültig einkerkert im verräterisch schönen Wahn.
Gefangen im schönen Wahn
Auch wenn Jan-Peter Sonntags Klangbild die bedrohliche Glut des Südens über den alltäglichen Wahnsinn strömen lässt: So recht stellt sich das Frösteln in einer oft hektischen Inszenierung nicht ein.
Es gibt sie nicht, die lauernde Atmosphäre der gegenseitigen Zerfleischung, den furchtbaren Nervenkrieg. Das mag darin begründet sein, dass Carp die Figur des Stanley gegen das Klischee besetzt und Björn Gabriel eben nicht der Brutalo Kowalski ist. Für die ungleichen Schwestern hat Carp eine Idealbesetzung. Elisabeth Kopp zeichnet die vom Leben gezeichnet Blanche mit großer Geste als erschütterndes Beispiel der Selbstzerstörung. Manja Kuhl baut mit ihrer Stella eine sympathische, hilflose Wesensgestalt zwischen die hoffnungslos verhärteten Fronten, hin- und hergeschleudert von ihren aufrichtigen Empfindungen. Die Dialoge der Schwestern haben Züge feinsten Kammerspiels.
Und doch findet die Aufführung erst zum bitteren Ende leise Zwischentöne. Aus ihnen klingt die Zeitlosigkeit des menschlichen Desasters in einer inhumanen Welt.