Duisburg. . Ballettabend „b.36“ in Duisburg: Der sonst so innovative Choreograph Martin Schläpfer tut sich schwer, sich einer Geschichte zu unterwerfen.

Ist das jetzt Martin Schläpfers Ballettabend „b.36“ oder Peter Tschaikowskys „Schwanensee“? Auf den Plakaten, die für die neue Produktion des Balletts am Rhein werben, prangen beide Titel gleichberechtigt. Nach dem großen Erfolg den dieser Abend im Sommer in Düsseldorf hatte, wird Schläpfers „Schwanensee“-Choreografie nun in Duisburg übernommen.

Dass Schläpfer sich an diesen Klassiker wagt, überrascht. Denn noch vor zwei Jahren hatte der Chefchoreograph des Hauses in einem Interview trotzig festgestellt, es sei nicht seine Aufgabe, die Wünsche des Publikums nach einem Handlungsballett zu erfüllen. Zudem seien seine Tänzer alle zu individuelle Persönlichkeiten, als dass sie im Corps des balletts tanzen könnten.

Verzicht auf jede Anleihe bei der klassischen Version

Der Ballettabend „b.36“ im Duisburger Stadttheater liefert ergreifende Momente.
Der Ballettabend „b.36“ im Duisburger Stadttheater liefert ergreifende Momente. © Gert Weigelt

Die Tänzerinnen und Tänzern der Kompanie sind aber besser als Schläpfer dachte und können selbstverständlich synchron in der Gruppe tanzen. Schläpfers Konzeption wagt einen erstaunlichen Spagat: Auf der einen Seite verzichtet er auf jede Anleihe bei der klassischen Version aus dem Jahr 1895 von Petipa und Iwanow, so dass traditionsbewusste Ballettfreunde eine Enttäuschung erleben. Stattdessen bleibt Schläpfer bei seinem bekannten modernen Tanzstil, der sich mal kantig, mal verspielt gibt.

Inhaltlich greift Schläpfer auf das Original-Libretto von 1877 zurück. So ist Rotbart hier nicht der zentrale Bösewicht, sondern nur Gehilfe von Odettes böser Stiefmutter. Dass dann auch noch Odettes Großvater als guter Geist einen Gegenpol darstellt, verkompliziert die Handlung unnötig. Ohne Lektüre des Programmheftes oder Besuch des Einführungsvortrags ist ein Verständnis der Geschichte schwierig.

Den Prinzen Siegfried tanzt Marcos Menha sportiv und ausdrucksvoll, seine Mutter wird von Virginia Segarra Vidal mit strenger Eleganz verkörpert. Marlúcia do Amaral ist eine selbstbewusst-muskulöse Odette, die so stark wirkt, dass man glaubt, sie könne ihre Probleme auch ohne männliche Hilfe lösen. Filigraner legt Camilie Andriot die Rivalin Odile an, so dass es unverständlich ist, dass Siegfried beide Frauen verwechselt. Mit strengem Blick tanzt Young Soon Hue die böse Stiefmutter, während Sonny Loscin als Rotbart blass bleibt. Dass Odettes Großvater nicht mit einem älteren Tänzer besetzt ist, sondern mit dem jüngeren Boris Randzio, erschwert das Verständnis der Personenkonstellation.

Schläpfers Vorbehalte gegen Handlungsballette

Schläpfer warf seine bisherigen Vorbehalte gegen Handlungsballette für „Schwanensee“ beiseite.
Schläpfer warf seine bisherigen Vorbehalte gegen Handlungsballette für „Schwanensee“ beiseite. © Gert Weigelt

Schläpfers bisherige Vorbehalte gegen Handlungsballette kann man beim Betrachten seines „Schwanensees“ gut nachvollziehen. Während der Choreograph in seinen sonstigen Arbeiten einfach Musik atmosphärisch vertanzt, muss er sich nun der Geschichte unterwerfen, Figuren einführen und Handlung erzählen. Da fragt man sich, warum der so innovative Schläpfer keine eigene „Schwanensee“-Geschichte erfunden hat, wie es andere Choreographen vor ihm getan haben?

Für Tschaikowskys Musik sind die Duisburger Philharmoniker unter dem Dirigat von Azis Shokhakimov verantwortlich. Zwar gelingen dem jungen Kapellmeister viele klangschön-schwelgerische Momente, aber oft dreht er den Lautstärkepegel bis zum Anschlag auf. Im Rückblick überrascht der Trubel, der in Düsseldorf um diese Produktion gemacht wurde, wo alle Vorstellungen ausverkauft waren und der Abend sogar vom Fernsehen aufgezeichnet wurde. Vom Publikum gibt es für alle Beteiligten großen Beifall, in dem auch die verstreuten Buh-Rufe für Schläpfer untergehen.

Mehrere Vorstellungen sind bis zum 20. Januar geplant. Hier geht es zu den Daten.