Bulmke. . Hitler lässt sich im Männerheim von einem Juden das Bärtchen stutzen. Das Trias-Theater hat Taboris Groteske „Mein Kampf“ großartig umgesetzt.
- Überzeugende Premiere im Kulturraum „die flora“ mit großartigen Darstellern vom Trias-Theater
- Tatjana Sarazhynska bleibt mit ihrer Inszenierung nah an der Vorlage von Tabori
- „Mein Kampf“ entlarvt die leere Hülle des erfolglosen Möchtegern-Malers Hitler im Männerheim
Unterzeug hängt an Wäscheleinen, Stapelbetten an der Wand, einer liest, einer schläft, einer verscheucht die Fliegen mit seinen Socken. Die liebevoll eingerichtete Bühne des Trias-Theaters im Kulturraum „die flora“ zeigt ein Männerheim in Wien um das Jahr 1910. Der alte Schlomo Herzl und der Koch Lobkowitz, beide Juden, unterhalten sich über Gott und die Welt. Schlomo will seine Memoiren schreiben und sucht nach einem Titel. „Schlomo und die Detektive?“ „Nein, Quatsch“. „Mein Kampf?“ „Das ist es!“
Literarisch auf die Sprünge geholfen
Wer da die Entsprechung für seinen Lebenshass gefunden hat, ist der junge Adolf Hitler, der in das Asyl poltert und die letzten Sätze aufgeschnappt hat. Langsam entspinnt sich eine freundschaftliche Beziehung zwischen dem alten Juden und dem jungen Möchtegernkünstler, dessen Antisemitismus noch in den Kinderschuhen steckt.
Dass Schlomo (Harald Goldau) dem späteren Gröfaz „literarisch“ auf die Sprünge geholfen hat, kann der naive Weise nicht ahnen. Er leiht ihm seinen Mantel, näht ihm den gerissenen Hosenschlitz und stutzt ihm sogar den „Hunnenbart“ für sein Vorstellungsgespräch an der Akademie; er „macht“ ihn zu Adolf Hitler. Den Begriff „Hitlerbärtchen“ gab es damals natürlich noch nicht.
Die Banalität des Bösen
Tatjana Sarazhynska hat George Taboris 1987 uraufgeführtes Stück ziemlich werkgetreu inszeniert; sehr viel anders sah das vor 30 Jahren bei der Premiere im Akademietheater des Wiener Burgtheaters auch nicht aus. Das Theatertier Tabori hat schon damals, lange vor Helge Schneider, die Frage beantwortet, ob man über Hitler lachen darf. Klar, und wie, lauthals und schenkelklopfend!
Merlin Dembowski, schlaksig und langhaarig, gibt den Hitler so, wie man ihn sich vorstellen kann: ein armer Tropf, ein Choleriker, eine leere Hülle, in Unterhosen herumlaufend und dabei popelnd und schimpfend. Aber schon damals von sich überzeugt – „von meiner sprachlichen und rhetorischen Meisterschaft“.
Ulrich Penquitt wird immer besser als Lobkowitz
Auf allem fußt Hannah Arendts These von der „Banalität des Bösen“. Die kannte natürlich auch Tabori, und Tatjana Sarazhynska bestätigt sie in ihrer gelungenen Deutung in der Inszenierung des Trias-Theater. Arendt meinte allerdings nicht Hitler, sondern den Holocaust-Verwalter Eichmann. Weitergesponnen darf man aber sagen, dass all diese „Adolfs“ zwischen 1933 und 1945 (und darüber hinaus) ziemlich banal waren.
Das Stück mit wunderbaren Darstellern – u. a. der immer besser werdende Ulrich Penquitt als Stichwortgeber Lobkowitz – verdient ein größeres Publikum als das in der kleinen „flora“. Es ist witzig und dabei auf unterhaltsame Weise aufklärend, eben eine Groteske. So wie die Geschichte.