. Harry-Potter-Erfinderin J. K. Rowling macht sich kaum noch die Mühe, Geschichten zu erzählen. Trotzdem ist ihr neues Buch wieder ein Bestseller.

Joanne K. Rowling hat wieder einen Bestseller geschrieben. Ihr Name steht auf dem Einband – und die Menschen kaufen. Dabei ist es nur das Drehbuch ihres Films „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“. Das Lesevergnügen geht Richtung Null.

„ZOLLBEAMTER: Brite, heh?
NEWT: Ja.
ZOLLBEAMTER: Zum ersten Mal in New York?
NEWT: Ja.
ZOLLBEAMTER (deutet auf NEWTS Koffer): Sind da Lebensmittel drin?
NEWT (legt die Hand auf seine Brusttasche): Nein.
ZOLLBEAMTER: Lebende Tiere?“

So geht das immer weiter, unterbrochen von sachlichen Anweisungen für Set und Schauspieler: „NEWT geht durch die Zollabfertigung davon.“ Und „Nahaufnahme“ und „Schnitt“.

Kopf-Kino nur bei Film-Kennern

Das Kopf-Kino schaltet sich nur ein, wenn man den Film gesehen hat: Newt Scamander, der Autor des Lehrbuchs über die Phantastischen Tierwesen, mit dem auch Harry Potter über 50 Jahre später in der Zauberschule paukt, kehrt von einer Forschungsreise zurück. Leider verschwinden aus seinem Koffer magische Wesen – der Ärger beginnt.

Die Fantasie-Tiere schließt man sofort ins Herz, wie den schon bei Harry Potter erwähnten Niffler – eine Art Schnabeltier mit dem Charakter einer diebischen Elster. Auch freut man sich über ein Wiedersehen mit Hauselfen und Zauberern. Der Film ist unterhaltsam – das Buch jedoch eine Mogelpackung.

Autorin macht sich keine Mühe

Dabei könnte es Rowling besser! Es wäre ein Leichtes für sie, die Geschichte auszuformulieren, um ihre Leser zu verzaubern. Da waren sogar noch die Dialoge in dem kürzlich erschienen Theaterstück besser: „Harry Potter und das verwunschene Kind“. Auch bei diesem Buch hat sich die Autorin nicht die Mühe gemacht, die Geschichte um Harry Potters Sohn so zu erzählen, dass die Zauber-Welt vor dem inneren Auge des Lesers erscheint.

Bestseller-Autorin J. K. Rowling.
Bestseller-Autorin J. K. Rowling. © Agence

Vor zehn Jahren wollte Rowling eigentlich die Potter-Serie enden lassen, nach sieben Bänden, die bis heute weltweit über 450 Millionen Mal verkauft wurden. Dass sie seitdem doch noch weitere Geschichten erzählt aus der von ihr geschaffenen Welt, ist nicht ungewöhnlich im Fantasy-Genre. Doch die Serie wird künstlich fortgesetzt. Schon der letzte Harry-Potter-Band wurde für das Kino derart in die Länge gezogen, dass man daraus zwei Filme machen konnte. Und allein zum aktuellen Streifen gibt es neben dem Drehbuch noch ein Malbuch, ein Posterbuch, ein Making-of-Buch, ein Film-Figuren-Buch . . . Und einen Zauberstab für rund 39 Euro.

Moderne Devotionalie

Zaubern kann man damit nicht, aber Fans werden mit jedem Kauf hoffen, dass sie noch einmal eine Zeitreise in diese schöne Potter-Welt machen dürfen, in der das Gute das Böse besiegt. So wird jede Neuerscheinung zur modernen Devotionalie. Wie früher die Menschen ein Vermögen ausgegeben haben, um ein Knöchelchen eines verstorbenen Heiligen zu ergattern, kaufen die Fans heute alles, was sie wieder ein Stückchen näher nach Hogwarts bringt.

Rowling hat einen Status erreicht, den selten Autoren, aber viele Stars inne haben (für eine Locke von Elvis wurden schon 15 000 Dollar gezahlt). Aber auch ihre Leser werden beim nächsten Buch dieser Art überlegen, ob sie es kaufen sollen. Sie werden spüren, dass der Zauber seine Kraft verliert.

Muss sie wirklich alles zu Geld machen?

Rowling hat es heute nicht nötig, ihr Vermögen zu vermehren – und doch scheint sie nicht genug zu bekommen, die einstige Sozialhilfeempfängerin und alleinerziehende Mutter, die mit ihrem märchenhaften Aufstieg so viel Sympathie erntete. Muss sie wirklich alles zu Geld machen? Sie hat schließlich eine Verantwortung ihren Lesern gegenüber. Die meisten sind noch sehr jung. Da wünscht man sich, jemand würde den Zauberstab auf sie richten und den Entwaffnungszauber rufen: Expelliarmus!

Das Buch

Joanne K. Rowling: Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind. Carlsen, 300 S., 19,99 €, ab 14 Jahren.