Essen. Weil sie ihren Sound zu berechenbar fanden, haben die Editors für ihr drittes Album die Synthesizer eingestöpselt und eine neue Ebene der Bedrohlichkeit erklommen. Was eben so schön wie anders klingt.

Niemand auf der britischen Insel versteht es, so elegant seine Verzweiflung in weltwunde Gitarrensongs fließen zu lassen wie die Editors. Manchen gelten die vier jungen Männer mit dem Gewicht der Welt auf den Schultern gar als Nachfolger von Joy Division. Nun aber haben sie die Instrumente gewechselt; wo Gitarren dominierten, operieren nun Keyboards. Der Mut zum Stilbruch zahlt sich aus, denn „In This Light And On This Evening” ist eine düstere Schönheit geworden, so bizarr wie gefühlvoll.

Es kommt der Punkt, da fängt man an, sich mit dem eigenen Erfolg zu langweilen – selbst wenn der noch gar nicht so weit gediehen ist. Aber wenn man erst mal ein Album in Großbritannien auf die Nummer 1 geschickt hat, dann weiß man, wie man beim Publikum die richtigen Knöpfe drückt. An diesen Punkt gelangten die Editors schon mit der zweiten Platte. „Davor haben wir uns erschreckt. Uns gefiel die Idee nicht, dass wir derart berechenbar geworden waren”, sagt Tom Smith mit sanftem Bariton und zieht am anderen Ende der Telefonleitung wahrscheinlich bedenkenvoll die hohe Stirn in Kräusel.

Gefällig, aber tiefgründig

Er beschwört gerne große Gefühle: Sänger Tom Smith (Mitte), zusammen mit Editors-Schlagzeuger Ed Lay, Bassist Russell Leetch und Gitarrist Chris Urbanowicz (v.l.). Foto: Pias
Er beschwört gerne große Gefühle: Sänger Tom Smith (Mitte), zusammen mit Editors-Schlagzeuger Ed Lay, Bassist Russell Leetch und Gitarrist Chris Urbanowicz (v.l.). Foto: Pias © Pias

Ein paar tiefe Bassläufe hier, ein paar ukulelig schrammelnde Leidensakkorde dort, ein paar Textzitate aus dem Fundus des 80er-Weltschmerzpops, schon hätten die Editors den Erfolg ihres gefälligen, aber eben nicht unglaublich tiefgründigen Albums „An End Has A Start” wiederholt.

Wie aber sieht an einem solchen Punkt die Flucht nach vorn aus? Keyboards? Synthesizer? Neues Songwriting? Unter anderem. „Für uns stand von Anfang an fest, dass wir ein dramatisches drittes Album aufnehmen wollten. Und wir wollten die Bilder vor unseren Augen in Musik übersetzen”, sagt Smith. Was es da an Bildern zu sehen gab? Smith schaute „Blade Runner” und den „Terminator”, Garanten für ein resigniertes Weltbild. Und cineastische Ehrerbietung tritt in „Papillon”, der ersten Single, zu Tage, die vom Fluchtwillen erzählt. „Natürlich ist das eine Hommage an die Rolle, die Steve McQueen im gleichnamigen Film spielt”, sagt Smith. Wer genau hinhört, dem fällt auf, dass das cleane Motiv des Songs melodisch „Here Comes The Rain Again” von den Eurythmics variiert.

Das Elektronik-Arsenal eröffnet den Editors einen ganz neuen Zitatenschatz, den es sich zu plün . . . Verzeihung, zu erkunden lohnt: OMD, Kraftwerk, Depeche Mode oder natürlich New Order.

Humor ist nicht ihr Ding

Kurzkritik

Metropolis, heute

Es türmt sich vor einem auf, dunkel, bedrohlich, synthetisch, dieses Album, schon mit den ersten Takten des Titeltracks „In This Light And On This Evening”, der die nächtliche Schönheit von London wie ein Mantra immer und immer wieder beschwört und sich in einem verzerrten Gitarreninferno auflöst.

Ein brütendes Metropolis entsteht, das Einfluss auf beinahe alle Songs ausübt. Es ist wahr, der Sound der Editors wurde elektrifiziert auf diesem dritten Album. Dass sie aber nun ganz anders klingen, wäre übertrieben. Das liegt am leidenden Bariton von Tom Smith ebenso wie daran, dass Gitarre und Klavier immer noch ständiger Begleiter sind. Nur die Grundstimmung hat sich verdüstert. Darüber täuscht die tanzbare Synthie-Single „Papillon” kaum hinweg.

Spätestens aber in der großen, traurigen Ballade „The Boxer”, die einen Hauch von Tears For Fears zu Schmachtgitarren und Pianoakkorden aufgelegt hat, darf man wieder spüren, wie schön Weltschmerz sein kann.

Wenn die Editors angesichts ihrer Zitierwut Selbstironie walten ließen, wie es etwa die Wombats mit „Let's Dance To Joy Division” getan haben, flögen ihnen wohl ungeteilte Sympathien zu. Aber Humor ist nicht ihr Ding. „Ich meine, es ist offensichtlich, dass wir düstere Musik mögen. Es gibt viele Leute, die böse gucken, weil sie denken, dass wir uns selbst zu ernst nehmen. Aber ich verstehe nicht, wo das Problem liegt. Für uns ist das aufregend. Das ist der Grund, warum wir es überhaupt machen – nicht nur, um Leute zu unterhalten”, sagt Smith.

Er beschwört gern große Gefühle. Und insofern ist „In This Light And On This Evening” ein typisches Editors-Album geworden. Weil er über enttäuschte Liebe singt oder den Verlust des Vertrauens in jene, die uns regieren. Oder über eine Welt ohne Gott.

„Der Glaube ist eine tolle Sache für die, die ihn haben”, sagt Smith, „aber nicht für mich. Was für mich im Leben zählt, ist die Verbindung zu anderen Menschen. Nicht die Verbindung zu fiktionalen Figuren.” Zwar setzt er sich mit Glaubensfragen auseinander, aber er ist noch nie zu einem positiven Ergebnis gekommen. Daran hat sich auch nichts geändert, seitdem er Vater geworden ist. „Ich habe mich bemüht, nicht darüber zu schreiben, dass ich jetzt Papa bin. Aber es beeinflusst die Sicht auf die Welt. Ich achte mehr auf die Welt, in der mein Kind aufwachsen wird. Vielleicht schlägt sich das später mal in den Songs nieder.”

Editors „In This Light And On This Evening” (Pias). Live: 31.10. Dortmund, Visions-Gala , 12.11. Köln, Palladium.