Essen. Sie wollen alle nur das eine: Ihre Stimme. Die Entscheidung, wen Sie wählen, könnte aber schwierig werden. Die Bürgermeister-Kandidaten waren alle beim gleichen Sprüche-Schmied und im selben Fotostudio. Für welches Sakko stimmen Sie?

In 384 NRW-Städten und -Gemeinden werden am Sonntag neue Bürgermeister gewählt. Im Schnitt dürften je zwei bis drei Kandidaten zur Wahl stehen, was bedeutet, dass auf den Straßen momentan über 1000 verschiedene Köpfe von mehreren hunderttausend Plakaten lächeln. Und alle wollen nur das eine: Ihre Stimme!

Weil sie aber nicht gleich jedem für ein Lächeln Ihr Kreuz schenken, wollen Sie als kritischer Wähler genauer wissen wer um ihre Stimme buhlt. Aber es wirkt, als ob alle beim gleichen Fotografen gewesen wären, der nur drei Motive zur Auswahl hat: mit Sakko vor einfarbigem Hintergrund für „seriös“, mit Sakko über der Schulter vor unscharfem Hintergrund für „locker“ und in Gesellschaft einer Zielgruppe (Junge, Alte, Abeiter...), die verzweifelt versucht natürlich zu wirken, für „bürgernah“.

Auch die „politischen“ Aussagen auf den Plakaten könnten aus dem gleichen Zufallsgenerator kommen und man kann das den Amtsinhabern und Möchtegern-Bürgermeistern nicht einmal vorwerfen. Sie stecken in einer Zwickmühle: Jede Aussage muss der größte gemeinsame Nenner sein. Jedes Polarisieren könnte Wähler abschrecken. Die Folge sind Neutrum-Parolen wie „Damit es gut läuft" (Bottrop), „Näher am Bürger" (Solingen), „Zukunft bewegen” (Mettmann) oder schwer zu widerlegende Behauptungen wie „Der Mann für diese Zeit” (Solingen) und „Bürgermeister für alle” (Hilden).

"Einer von uns"

Peinlich wird es, wenn sich die Worthülsen nicht nur von Wahl zu Wahl wiederholen, sondern schon von Ort zu Ort. So ist die CDU in Hattingen „modern. mutig. menschlich", in Bochum dagegen „Menschlich. Mutig. Modern”. Ähnlich nah beinander liegen die CDU-Kandidaten mit ihren Slogans: „Dorsten in guten Händen” und „Unser Essen in guten Händen" – wobei letzerem gleich noch ein Hauch von Kirchentag umweht.

Der unangefochtene Spitzenreiter unter den Bürgermeister-Slogans ist aber mit Abstand: „Einer von uns". Genial, weil es bürgernah klingt, absolut nichts aussagt, alle einschließt und keiner das Gegenteil beweisen kann. Und so teilen sich gleich sieben Kandidaten quer durch alle Parteien denselben Slogan: Stefan Zowislo, Mülheim und Adolf Sauerland, Duisburg (CDU), Reinhard Paß, Essen, Andreas Krebs, Oer-Erkenschwick und Ottilie Scholz, Bochum („eine von uns", versteht sich) (alle SPD) sowie Dirk Möcking, Kerken und Andreas Grotendorst, Raesfeld (unabhängig).

Mark Twain hat geschrieben „Es ist schon ein großer Trost bei Wahlen, daß von mehreren Kandidaten immer nur einer gewählt werden kann.” In diesem Sinne: eine gute Wahl!

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