Essen. . Lang ist’s her, dass er den Text für das berühmte Musical schrieb, aber Tim Rice sieht „Jesus Christ Superstar“ als sehr jung geblieben. Jetzt kommt es nach Essen.
Jesus kommt nach Essen. Im April und dann gleich für mehrere Abende. Er wird nicht reden, aber singen. Viel singen. Schließlich ist er die Titelfigur des Musicals „Jesus Christ Superstar“. Vor über 40 Jahren wurde es geschrieben. Das ist lange her, aber was im Colosseum zu sehen und zu hören sein wird, unterscheidet sich trotzdem kaum von dem Stück, das damals am Broadway bejubelt wurde. „Zum Glück“, sagt Tim Rice.
Rice hat den Text des Welterfolges geschrieben. Und nicht nur den. Ob Chess, Aladdin oder König der Löwen – zu vielen großen Musicals hat er die Texte verfasst, während die Musik mal von Andrew Lloyd Webber, Elton John oder den Abba-Männern Benny Andersson und Björn Ulvaeus kam.
Als er über Gottes Sohn schreibt ist Rice gerade 25 Jahre alt. Und wenn man ihn fragt, ob er damals geahnt hat, was er und Webber da abgeliefert hatten, dann muss er kurz lachen. „Nicht mal annähernd.“ Im Gegenteil: „Wir waren völlig überrascht.“ Es war ja zunächst auch nicht gut gelaufen. Ein Musical über Jesus Christus? Biblische Geschichte als Unterhaltungsshow? Das war vielen Theaterbetreibern dann doch etwas zu gewagt in den späten 1960er-Jahren. Deshalb machen Rice und Webber aus „Jesus Christ Superstar“ ein Album – mit Deep Purple Sänger Ian Gillan in der Titelrolle. Krachende Rocknummern gibt es deshalb aber auch viel Gefühl und riesige Chorpassagen.
Zum Ritter geschlagen
Es ist ein Konzeptalbum zur richtigen Zeit. Denn es ist die Zeit, in der Alben erstmals mehr Umsatz erzielen als Singles. Es ist die Zeit, in der die Beatles „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ veröffentlichten, The Who „Tommy“ herausbringen und die Byrds „Jesus Is Just Alright“ singen. „Das Timing war gut“, sagt Rice. Der große Erfolg der Schallplatte ebnet „Jesus Christ Superstar“ schließlich den Weg zum Broadway, wo es die Geschichte immerhin auf 720 Aufführungen bringt und fortan nahezu ununterbrochen irgendwo auf der Welt zu sehen ist. Rice selbst hat es im Laufe der Jahre „rund 150 Mal“ angeschaut und ist froh, dass es in der ganzen Zeit kaum verändert worden ist, denn: „Es ist einfach eine starke Geschichte. Und darauf kommt es an.“
Zurzeit feilt der 1994 zum Ritter geschlagene Brite mal wieder an einem neuen Musical. „From here to eternity“ heißt es, basiert auf einem Roman von James Jones, der in Deutschland eher als Film „Verdammt in alle Ewigkeit“ bekannt ist. Ob es zwischen Alpen und Nordsee je zu sehen sein wird, weiß Rice nicht. Was er weiß ist, dass es schwierig geworden ist, mit einem frischen Stoff einen Hit zu landen. Vor allem in Deutschland. „Die Menschen hier sind sehr resistent gegenüber neuen Shows“, hat er festgestellt. „Aber sie gehen immer wieder gerne in die Klassiker.“
„Zeitlos“ nennt er gute Musicals und glaubt, dass man bei „Jesus Christ Superstar“ auch im Jahr 2016 noch eine ganze Menge lernen kann. „Schließlich geht es grundsätzlich um Freundschaft und Verrat. Und darum, wie Menschen in Situationen, die sie nicht verstehen, reagieren.“
Um Religion aber geht es eigentlich nicht, findet der Texter. Rice hält sich jedenfalls nicht für einen besonders religiösen Menschen. „Jeder soll glauben, woran er will“, sagt der 71-Jährige. „Er darf nur nicht versuchen, andere mit Gewalt zu seinem Glauben zu bekehren.“