Washington. Er spielt seine Rollen mit einem Stoizismus, der die Welt schon beim Zusehen ein Stück erträglicher macht. Hollywood-Charakterkopf Bill Murray ist 65.

In seinem neuen Film bleibt sogar Bruce Willis die Spucke weg. So grandios spielt Bill Murray den Part eines abgewrackten Musik-Managers, der in Afghanistan mit einer mitteltalentierten Sängerin zur US-Truppenbespaßung einfliegt und später auf eine junge Paschtunin mit glockenheller Stimme trifft, die nur eines werden will: berühmt. Dass der Weg bis dahin talibanisch steinig wird und weiblicher Rock‘n‘Roll in Kabul erst noch seine Nische finden muss, erträgt Murray in „Rock the Kasbah“ wie in all seinen Rollen: mit einem Stoizismus, der die Welt schon beim Zusehen ein Stück erträglicher macht. An diesem Montag ist Bill Murray, der Zen-Buddhist unter Hollywoods Charakterköpfen, 65 Jahre alt geworden.

Für Murray war Witzigsein schon auf Kindesbeinen Rettungsanker und Probierfeld. Acht Geschwister. Vater Holzhändler. Sohn Bill hatte am Abendbrot-Tisch in Chicago dicke Bretter zu bohren. Seine Erinnerung: „Wer lustig war, musste nicht abwaschen und bekam mehr zu essen.“ Er trug Zeitungen aus, anderen die Golftasche nach, knetete Pizza-Teig und verkaufte Marihuana, um über die Runden zu kommen. Bewährungsstrafe. Die Drogengeschäfte kosteten ihn das Medizinstudium.

Mit "Ghostbusters" stieg Bill Murray in den Publikums-Olymp

Seine Patienten fand der aus irisch-katholischem Hause stammende Schlaks im besten Inkubator für Frohsinn und Satire: „Saturday Night Live“. Im Mutterschiff aller amerikanischen TV-Comedy-Shows stieg er zum heimlichen Kapitän auf. Niemand drückt den Überdruss über die Lächerlichkeit menschlichen Daseins mit so viel Minimalismus zwischen Augenbrauen und Kinnspitze aus wie er. Murray konnte aus dem Stegreif subversiv Anarchisches. Oder Blödsinn. Ein Rohdiamant von der Qualität der Marx Brothers.

Dann klopfte Hollywood an. Als einer der legendären „Ghostbusters“ stieg Bill Murray in den Publikums-Olymp auf. Bevor ihn 1984 „Auf Messers Schneide“ an den Abgrund brachte. Die Kritik verriss den Sprung ins Charakterfach. Bill Murray ging nach Frankreich, in sich und studierte in Paris Philosophie und Geschichte, um sein Leben neu zu justieren.

Zurück in Amerika gab ein possierliches Viech die Richtung vor. In „Und ewig grüßt das Murmeltier“ stolperte Bill Murray in eine Vergeblichkeitsfalle, die bis heute bezaubert. Das Schicksal des Wetter-Frosches Phil, dem jeder Tag in Punxsutawney wie der vorherige gerät, zeigt Murray als verschatteten Selbstverächter, der in Wahrheit nur geliebt werden will. Der Klassiker aus dem Jahr 1993 steht für das Gründungsdatum des weltweiten Murrayaner-Kults.

Man bekommt ihn nicht an die Strippe

Sein Hang zu Sonderlingen, die eine griesgrämige Melancholie umweht, fand in der Kooperation mit Regisseur Wes Anderson (zuletzt „Grand Budapest Hotel“) weitere Höhepunkte. In Jim Jarmuschs „Broken Flowers“ erreichte er den Gipfel seines Ausdrucks – indem er vor der Kamera beinahe gar nichts mehr tat. Was Sofia Coppola dazu anstiftete, ihm für „Lost in Translation“ die Rolle eines alternden Hollywood-Stars so passgenau auf den Leib zu schneidern, das man im Kino lachen und weinen musste. Ein passiver Frauenheld, der mit Ungläubigkeit, Verzweiflung, Resignation, Geduld, Selbstironie, Demut und Scheißdrauf-Heiterkeit dem Weltgeist trotzt – meisterhaft.

Wie Bill Murray zu seinem wirkungsmächtigsten Erfolg kam, ist eine Geschichte für sich. Sofia Coppola schaffte es ein Jahr lang nicht, wie andere vor und nach ihr auch, ihn an die Strippe zu kriegen. Murray hat seit 1999 keinen Agenten mehr. Nur eine Postfach-Adresse und einen Anrufbeantworter, der, man ahnt es, selten abgehört wird. Coppola rief Al Pacino an, der in New York in der Nachbarschaft lebte, um den Kontakt anzubahnen. Der „Pate“ war behilflich. Seither wissen Mauerblumen und Randexistenzen: Wenn die Welt zu zerbrechen droht, dann mit einem murrayischen Lächeln.