Essen. . Sebastian Schippers Film “Victoria“ löste auf der jüngsten Berlinale einen Kultrausch aus. Er spielt in Echtzeit mit nur einer Kameraeinstellung.

Kein Film löste im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb derartigen Kultrausch aus wie Sebastian Schippers „Victoria“. Nicht weniger als eine Sensation, ja sogar die Zukunft des Kinos, des deutschen zumindest, wurde ausgerufen. Erzählt wird ein Krimi und der Kniff ist es, dass der Film in einem Stück durch gedreht wurde.

Vom Nachtclub in die Unterwelt

Die Spanierin Victoria (Laia Costa) lernt in den frühen Morgenstunden vor einem Berliner Nachtclub vier junge Männer kennen. Die nennen sich Sonne, Boxer, Blinker und Fuß und nehmen Victoria freundschaftlich in ihrer Mitte auf. Ausgelassen treibt man durch die Straßen, da schläft Fuß plötzlich wegen zu viel Alkohols ein. Das ist ärgerlich, denn die Jungs haben noch Riskantes vor, und dafür braucht es eine vierte Person. Victoria kommt mit. In einer Garage trifft man auf einen Unterweltboss, der einen Job einfordert und dafür Waffen ausgibt. Eine Bank soll ausgeraubt werden. Victoria steuert das Fluchtfahrzeug. Es fallen Schüsse.

Auch interessant

Es kann wahrlich nicht viel los gewesen sein im diesjährigen Wettbewerb der Berlinale, dass dieser Film derart aufs Podest gehoben wurde. Die neue Regiearbeit von Sebastian Schipper, der 1998 mit „Absolute Giganten“ ein kleines, feines Regiedebüt vorlegte, ist als lang ersehnter Vorstoß des deutschen Films hin zu mehr modernem Kino so krampfhaft auf Neuerung und Ausbruch bedacht, dass er sich in Konzept und Ausführung ständig selbst im Wege steht.

Atemloses Geplapper als Stilmittel

Die Attraktion, mit der sich der Film prahlerisch aus dem Fenster lehnt, ist es, dass das komplette Geschehen über die Distanz von über zwei Stunden in einem Stück gedreht wurde. Solches war auf Zelluloid nicht möglich, weil nach 18 Minuten die 600 Meter einer Filmrolle abgespult waren. Digitalkameras hingegen haben genug Speichervolumen, aber Mehrwert ergibt sich daraus nicht, wenn wie hier das Verhältnis von Reden und Zeigen, Substanz und Pose immer wieder aus der Balance gerät.

Die Regie versucht im weitgehend improvisierten Dialogbuch ungebremstes Geplapper als Feeling zu verkaufen und lässt Schauspieler wie den ohnehin schon zum Hyperaktiven neigenden Frederick Lau sich scheinbar frei von jeder Kontrolle austoben. Als Stilübung in Atemlosigkeit (mit Jean-Luc Godards „Außer Atem“ als indirektem Vorbild) ist das in Szenen interessant, im Blick auf die Logistik beim Dreh sogar imposant. Zu oft aber gibt es Ungereimtheiten und Schludrigkeiten, die andernorts nur verlacht würden. Hier aber ist sogar das Teil der Angeberei mit der eigenen Experimentierfreude.