New York. . Wenn Künstlerin Björk Thema einer Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art ist, dann gleicht das MoMa einem übergeschnappten Ameisenhaufen.

Wer den vergangenen Freitagnachmittag an der 53. Straße in New York überstanden hat, für den kann es eigentlich keinen Zweifel mehr geben. Im überlaufensten Museum der Welt scheint ein bekümmernswerter Zwischenfall auf Besucherseite nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Die wahrscheinliche Diagnose – akuter Sauerstoffmangel durch zu langes Schlangestehen auf engstem Raum – würde der Ironie nicht entbehren. Zieht doch die Künstlerin, deretwegen das „Museum of Modern Art“ in diesen Wochen einem übergeschnappten Ameisenhaufen gleicht, ihre nervenzersägende Kreativität aus den unbebauten, ausladenden Frischluft-Zonen Islands. Womit man auch schon bei Björk Gutmunsdottir wäre. Und der Frage: Was hat nun die seit über 20 Jahren mit kindlicher Elfenstimme singende Vermesserin düsterer Innenwelten bitteschön hier zu suchen?

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Klaus Biesenbach, der aus dem Bergischen Land stammende Kurator des „MoMa“, findet: alles. Für ihn verkörpert die bald 50 werdende Seelen-Stripteuse aus Reykjavik ein Gesamtkunstwerk aus der Liga „Kraftwerk“ oder „Marina Abramovic“. Den Düsseldorfer Pionieren des Elektro-Pop und der Performance-Künstlerin aus Serbien stellte Biesenbach in der Vergangenheit ebenfalls die erlauchten MoMA-Räume als Spiel- und Experimentier-Fläche zur Verfügung. Für Björk ließ er sogar ein Museum ins Museum bauen.

Nicht für Frohsinn zuständig

Ein schwarzer Pavillon im fünfgeschossigen Atrium lotst den Besucher zum Auftakt in eine abgedunkelte Hightech-Videokabine mit erlesenem Sound-System. Darin zu sehen und zu hören ist eine Endlos-Schleife von „Black Lake“. Ein zehnminütiges Martyrium aus penibel inszenierten Bildern und Klängen ihrer neuen Platte „Vulnicura“. Björk kriecht sich in Pütt-ähnlichen Stollen das Schwarze unter die Fingernägel. Später läuft sie barfuß über Geröll und Moos und wehklagt über das Aus ihrer langjährigen Beziehung zu Avantgarde-Zampano Matthew Barney. „Habe ich Dich zu sehr geliebt?“. Dann quillt blaue Lava aus der Erde. Frohsinn sieht anders aus. Aber dafür war Björk ja noch nie wirklich zuständig.

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An die Stelle der klassischen Retrospektive – Rückblick, Chronik, Neubewertung – hat Biesenbach unter detailversessener Mit-Regie der Künstlerin ein Multimedia-Panoptikum gesetzt, das vor Reizüberflutung und dem Bemühen, originell zu sein, fast kollabiert.

An Kontext aber herrscht Mangel

Alles ist irgendwie ver-appt und interaktiv. Ein Abspielgerät, das dem Gast auf seiner Reise auf den bei den australischen Aborigines abgeguckten „Songlines“ von Björk umgehängt wird, erkennt den jeweils neuen Standort und drückt dazu passend auf „Play“. Das gewünschte Staunen will sich aber ebenso wenig einstellen wie beim Betrachten der wie Reliquien inszenierten Textilien, mit denen Björk schon für Furore sorgte, als Lady Gaga vermutlich noch ihre Barbiepuppen bespaßte.

Etwa der an einen Schwanen-Kadaver erinnernde Fummel von Marjan Pejoski, mit dem Björk einst bei den Oscars den Roten Teppich beschämte. Biesenbach sagt, man müsse Björk in „ihrem kulturellen Umfeld“ begreifen. An Kontext aber herrscht Mangel. Irgendwie soll man ständig zur mandeläugigen Hohepriesterin der sperrigen Emotion aufschauen. Oder warum ist auf einer Wand unter Halsstarre-Gefahr eine Björk zu sehen, die zu „Big Time Sensuality“ auf dem Anhänger eines Lkw in New York Mätzchen macht?

Kritiker meldeten sich zu Wort

Diverse Kritiker haben nach der Eröffnung der Sonderschau getan, was manche Vulkane auf Björks Heimat-Eiland tun – sie sind explodiert. „Zu personenkultig“, „kitschig“, „pubertäre Memorabilia-Schau“; so und ähnlich fielen die Urteile aus. Dabei zielt die Kritik nicht so sehr auf Björk. Sondern auf die Darbietung, die einem auf Überwältigung angelegten Zirkus gleiche. Bei ihren in New York umjubelten Konzerten schien Björk das alles fast etwas peinlich gewesen zu sein. Wie Miles Davis mit der Trompete zeigte sie sich über weite Strecken den Zuschauern von hinten. Aber nie rückenfrei.