Hamburg. Dass er ein Herz für die großen Schätze der U-Musik hat, wissen die Fans von Götz Alsmann seit langem. Jetzt bittet er mit seinem neuen Programm “Broadway“ in ein Reich, in dem es vor „1a Stücken“ wimmelt, wie der Entertainer sagt. Trotz seines Erfolgs ist Alsmann aber ein Mensch vergangener Tage.

Der Mann ist nicht aus der Ruhe zu bringen. Fast eine Stunde verspätet sich der Journalist, doch Götz Alsmanns Begrüßung bleibt freundlich „Ich habe hier ja sehr angenehm gesessen...” Nur die alles andere als dezente Hintergrund-Musik in der Hotel-Lounge findet er unangenehm. Schrecklich, diese „fremdbestimmte Dauer-Beschallung” – vor allem wenn aus den Boxen einer dieser „Gute-Laune-Sender” töne. „Dieser ganze Mainstream-Rock-Faschismus macht mich krank!” Wer das Formatradio erfunden habe, gehöre „gevierteilt – und seine Eingeweide sollten von Geiern gefressen werden!”

Da bricht der aufgestaute Frust zahlloser Tournee-Reise-Stunden vor dem Autoradio durch. Auf die Radiomacher, die „unsere Gesellschaft in die Knie zwingen wollen: Diese Nervsäcke in den Gute-Laune-Radios vergehen sich an der Geschmacksbildung – das ist die Hölle. Ganz bitter!” Wie auf der Bühne und im Fernsehen ficht der Mann aus „Zimmer frei!” auch bei dieser Abrechnung mit dem Radio verbal gekonnt, diesmal aber mit dem Säbel statt des gewohnten Degens: „Weil ich Radio liebe – jedenfalls das von sachkundigen Moderatoren zusammengestellte Musik­radio vergangener Zeiten: Das war einmal ein sehr wichtiger Teil der Alltagskultur.”

Ein Mensch vergangener Tage

Alsmann ist in jeder Hinsicht ein Mensch vergangener Tage. Schätzt den Stummfilm und das Kino der 40er- und 50er-Jahre ebenso wie die Lach- und Schießgesellschaft der Adenauerzeit und die Schlager aus den Tiefen deutscher Musikhistorie. Und macht aus seiner Abneigung gegenüber manchen Produktionen der Gegenwart keinen Hehl. „Nehmen Sie den amerikanischen Film: Früher hat dieser eine interessante Mischung aus Lässigkeit und Vornehmheit vermittelt, es wurden noch Ideale propagiert – heute fühle ich mich abgestoßen von dem dort gezeigten modernen Leben, dem geklonten Look der Schauspieler und dieser extremen Aggressivität.”

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Und da ihn auch das deutsche Politkabarett der letzten Jahrzehnte nicht überzeugt – ebenso übrigens wie der „Comedy-Schrott” – wühlt der promovierte Musikwissenschaftler lieber in den Archiven von Benatzky, Mackeben und Co. Oder hört in einige der 10.000 Platten und CDs seiner legendären Sammlung hinein.

„Hauseigene Qualitätskontrolle“

Eine Quelle, die nicht versiegt wie sein neues Programm „Broadway” beweist, das den 57-Jährigen nun zum Tourneeauftakt nach Dortmund führt. „Da gibt es Tausende von 1a-Stücken”, schwärmt der promovierte Musikwissenschaftler. „Damals funktionierte die hauseigene Qualitätskontrolle noch, musste ein Lied erst einmal gut klingen.

Heute tritt die eigentliche Komposition immer mehr in den Hintergrund, stattdessen geht es um Effekte.” Nicht indes in den ausgewählten Fundstücken mit einer Jazz-Seele, die hier nun auf die swingende Nostalgie des Alsmann-Ensembles trifft.

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Exot im Musikgenre – und doch Chartstürmer

Ein exotischer Klang – so wie der Mann mit der Hornbrille und der Tolle ein Exot im Musikgenre ist. Der behauptet, kein Teil des Musikgeschäfts zu sein. Seinen ersten Charts-Erfolg kommentierte er ungläubig: „Es kann sich nur um einen Irrtum gehandelt haben“ – und sich doch mit seinem letzten „In Paris“-Album ein Jahr lang in den Jazzcharts hielt. Obgleich er darauf besteht, es handele sich um Schlager: Jazz-Schlager.

„Schlager ist für mich irgendeine Art Musik mit deutschem Text.” Auch wenn Schlager heute von einer „Generation frustrierter, ehemaliger Beat-Musiker mit oft sehr beschränkten musikalischen Ausdrucksfeld” gemacht würden: „Die Welt des Schlagers nur noch an diesen bemitleidenswerten Exemplaren zu beurteilen, wird ihr nicht gerecht.”