Essen.. Für die Amerikaner ist der Kampf gegen den Terrorismus ein Krieg. Den Tod Osama bin Ladens bewerten sie als Sieg in einer wichtigen Schlacht gegen den Feind. Amerika-Experten erklären, warum der Tod des Top-Terroristen die USA in Freude versetzt.
Auf diese Nachricht haben sie seit fast zehn Jahren gewartet: Top-Terrorist und El-Kaida-Chef Osama bin Laden ist tot – und die Amerikaner jubeln. Bereits in der Nacht, kurz nachdem US-Präsident Barack Obama die Botschaft im Fernsehen verkündet hatte, strömten die Menschen zu Tausenden auf die Straße. Vor dem Weißen Haus in Washington und am Ground Zero in New York herrschte tosende Volksfest-Stimmung. Die Menschen schwenkten Fahnen und vollführten wilde Freudentänze. Die Champagner-Korken knallten. Selten wurde eine Todes-Nachricht so euphorisch vor den Augen der Weltöffentlichkeit gefeiert.
„Für die Amerikaner ist der Tod Osama bin Ladens als Drahtzieher der Anschläge vom 11.September ein großer Triumph“, sagt Dietmar Herz, Amerika-Experte und Professor an der Universität Erfurt. „Sie haben damit bewiesen, dass niemand das Territorium der Vereinigten Staaten angreifen kann, ohne dafür bestraft zu werden.“ Das Trauma der Verwundbarkeit sitze nach wie vor tief wie ein Stachel in der amerikanischen Seele fest.
„Menschen feiern Sieg über Symbol-Figur des Feindes“
Die Suche nach Bin Laden sei für die Amerikaner somit auch keine gewöhnliche Verbrecher-Jagd gewesen, sondern eine Schlacht im langwierigen Krieg gegen den Terror und das Netzwerk El Kaida, sagt Herz. In diesem Sinne sei auch der Jubel zu verstehen. „Die Menschen feiern nicht den Tod eines Verbrechers, sondern den Sieg über die wichtigste Symbol-Figur des Feindes.“ Es sei in diesem Zusammenhang auch von großem symbolischen Wert, dass die Leiche Bin Ladens im Meer versenkt wurde. „Damit nehmen die Amerikaner dem Feind die Möglichkeit, ihren Führer nach religiösem Ritus zu bestatten und um ihn zu trauern.“
Der Freuden-Taumel der Amerikaner sei kein Ausdruck blutrünstiger Rachegelüste, sondern lediglich die Erleichterung darüber, dass der Hauptschuldige der Anschläge endlich bestraft worden sei, sagt Walter Grünzweig, Amerika-Experte der Universität Dortmund. „Die Menschen hätten genauso gejubelt, wenn sie Bin Laden lebend gefasst hätten“, ist er überzeugt. „Womöglich wäre ihnen das sogar lieber gewesen. Dann hätten sie ihn der Öffentlichkeit als Trophäe präsentieren können.“
Reaktion auch in Europa möglich
Die Meinung, dass Bin Laden den Tod verdient habe, sei jedoch in einem Land mit Todesstrafe wie den USA weit verbreitet. Dennoch glaubt Grünzweig, dass eine solche Reaktion auch in Deutschland und anderen europäischen Staaten möglich wäre. „Wenn bei uns bei einem Terror-Anschlag 3000 Menschen ums Leben gekommen wären, würden diese Instinkte zweifelsfrei auch hierzulande freigesetzt.“ Auch bei brutalen Gewaltverbrechen an Einzelnen würde sich schließlich immer wieder der Volkszorn regen – und nach der Todesstrafe rufen.
Für Bill Purcell sind die Reaktionen seiner Landsleute in den USA dennoch befremdlich. Der Chef der „Democrats Abroad“ in NRW lebt seit neun Jahren in Neuss. Auch er war am 11. September 2001 in New York, hat die Anschläge hautnah miterlebt. Drei seiner Freude sind dem Tod nur knapp entronnen. „Doch dieser Jubel ist für mich nicht nachvollziehbar. Den Tod eines Mörders kann man doch nicht feiern wie einen Sieg im Fußball“, sagt Purcell.
Auch der Vatikan hat wenig Verständnis für die Jubel-Feiern der Amerikaner. Der Tod eines Menschen sei für einen Christen niemals Grund zur Freude, sagte der Sprecher von Papst Benedikt XVI., Federico Lombardi, am Montag in Rom. Das gelte auch für den Tod von Osama bin Laden.