Essen. . Der Daumen schmerzt, der Arm tut weh: Der ewige Umgang mit dem Computer und dem Handy macht unserem Körper zu schaffen. Das Smartphone und die Arbeit am Bildschirm gehören zu den Ursachen für neue Zivilisationskrankheiten. Auch unser Hals- und Nackenbereich leidet. Mediziner schlagen Alarm. Sie raten, erste Alarmsignale ernst zu nehmen.
Die Finger eilen über die Tasten oder über die glatte Fläche des Smartphones bzw. Tablets, über die wir uns beugen: Hunderte von Mails und SMS pro Tag zu schreiben, das ist für viele ebenso normal geworden wie die meiste Zeit des Tages an kleinen oder großen Bildschirmen zu sitzen. „Dieses gleichförmige, nicht richtig positionierte Sitzen ist ein Massenphänomen, das enorme Haltungsschäden anrichtet – in Nacken, Schulter und Arm ebenso wie in der (Hals-)Wirbelsäule“, sagt Dr. Martin Weiß. Der Allgemeinmediziner ist gleichzeitig Chirotherapeut und Buchautor, er hat ein Fitnessstudio für vorbeugendes und therapeutisches Krafttraining an seine Praxis in Rosenheim angegliedert.
Wo liegen die Schwachstellen im Körper?
Der Arzt weiß ebenso wie die Düsseldorfer Physiotherapeutin Kinga Buczynska um diese „Knackpunkte“ im Körper: Die Halswirbelsäule wird überstreckt, weil man durch den unteren Teil seiner Gleitsichtbrille schaut; und durch das ständige Klicken auf die Computermaus mit der rechten oder linken Hand belasten wir die entsprechende Körperhälfte inklusive Schultergürtel und den halben Brustkorb einseitig. Das Eintippen von SMS ins Smartphone vergleicht Martin Weiß mit den stereotypen Handgriffen eines Arbeiters am Fließband. Und weil wir dazu neigen, bei Stress die Schultern hochzuziehen, verspannen wir uns zusätzlich. Die Folge: Kribbeln, Brennen, Schmerzen und Ziehen in Hand, Arm und Schultern. „Mancher fühlt sich, als habe er ein Brett im Rücken und im Nacken“, sagt Martin Weiß.
Was, wenn es chronisch wird?
In Weiß’ Praxis kommen Patienten, bei denen ein Schulterblatt unnatürlich angehoben ist – durch die Arbeit mit der PC-Maus. Diese kann darüber hinaus schmerzhafte Veränderungen im Gewebe mit sich bringen – Mediziner sprechen von Repetitive Strain Injury (RSI), auch Maus- oder früher Tennisarm genannt. Der Hintergrund nach Ansicht von Wissenschaftlern: Weil Muskeln, Sehnen, Nerven und Gelenken ständig über- und belastet werden, ist das Gewebe chronisch gereizt. So entstehen laut dem Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie Narben aufgrund kleinster Verletzungen. Die Gewebereize werden als Schmerzimpulse an Rückenmark und Gehirn weitergeleitet – und irgendwann, nach dem abertausendsten Klick, reicht das bloße Ausführen der Bewegung, um Pein zu verursachen. Für Martin Weiß gehören zudem Blockaden der Rippen-Wirbel-Gelenke zum Krankheitsbild.
Wie beuge ich vor?
Vorbeugen und behandeln lassen sich die neuen Zivilisationserkrankungen auf ähnliche Weise: „Die Muskelspannung herunterbringen, Muskelverkürzungen durch Dehnen korrigieren und Muskeln aufbauen, indem man sie systematisch trainiert“, sagt Chirotherapeut Martin Weiß. Außerdem gilt es, den Arbeitsplatz ergonomisch so einzurichten, dass man entspannt Platz nimmt: „Der Arm sollte aufgestützt sein, so dass die Schulter an der Seite, wo die Computermaus bedient wird, locker hängen kann. Das Handgelenk muss bequem auf dem Mauspad ruhen – so ,kämpfen’ wir nicht mit dem Gerät“, beschreibt der Mediziner die geeignete Körperhaltung, die keinesfalls statisch bleiben sollte: Immer wieder aufstehen, Pausen machen, zwischendurch an einem Stehpult schreiben – kurz, in Bewegung bleiben.
Gibt es Hilfsmittel?
Vertikal geformte Computermäuse (wie ein Revolverhandgriff) können laut Physiotherapeutin Kinga Buczynska ebenso hilfreich sein wie ein Computerarmband mit integrierter Stütze. „Das verhindert das Absinken des Handgelenks“, sagt die Expertin, die zudem rät, Sehnen durch einen Stützverband zu entlasten und die Maus nicht immer mit der gleichen Hand zu bedienen. Wechseln – das ist auch ihr Tipp für diejenigen, deren Muskeln durchs SMS-Tippen verspannt sind: „Smartphones haben eine Sprachfunktion, mit der man Texte aufzeichnen und dann versenden kann.“
Welche Übungen helfen?
Martin Weiß rät: Ein Konzept durch einen professionellen Trainer in Zusammenarbeit mit einem Arzt und Physiotherapeuten erarbeiten zu lassen. Dafür sollte der Muskelstatus untersucht und die Wirbel- und Rippengelenke auf ihre Funktion geprüft werden. „Nur Fango, Moorpackungen und Massagen helfen nicht, wenn nicht zugleich die blockierten Gelenke gelöst werden“, so Weiß. Physiotherapeutin Kinga Buczynska empfiehlt Dehn- und Entspannungsübungen. Die kann man auch am Schreibtisch machen: Die Hand zu einer Faust ballen und dann die Finger spreizen. Oder das Becken nach vorne kippen und wieder entspannen. Auch mal die Arme pendeln und die Schultern kreisen zu lassen, kann helfen.