Essen. Häufig wird die Endometriose, die krankhafte Wucherung der Gebärmutterschleimhaut, nicht erkannt. Sie tarnt sich als Periodenschmerz. Auch deshalb fällt die Diagnose so schwer. Dabei ist eine Erkennung und Behandlung wichtig. Bei 40 bis 60 Prozent der Frauen, die ungewollt kinderlos bleiben, steckt eine Endometriose dahinter.
Wärmflasche und Schmerzmittel sind für viele Frauen jeden Monat ein treuer Begleiter. Die Menstruation bringt die Gebärmutter dazu, sich zusammenziehen. Krämpfe und andere Symptome sind die Folge. Die meisten Frauen nehmen die Beschwerden einfach hin – ohne daran zu denken, dass das Ausmaß der Probleme vielleicht nicht mehr im Bereich des Normalen liegt.
Bei etwa 40.000 Frauen pro Jahr wird in Deutschland die Diagnose Endometriose gestellt, und das meist erst nach vielen Jahren. Bei etwa 40 bis 60 Prozent der Frauen, die ungewollt kinderlos bleiben, steckt die chronische, gutartige Wucherung der Gebärmutterschleimhaut dahinter. Das Gewebe, das normalerweise nur den Uterus auskleidet, siedelt sich im Bauchraum an, manchmal sogar in Körperregionen fernab der Gebärmutter. Die Endometrioseherde reagieren genau wie die Schleimhaut in der Gebärmutter auf hormonelle Veränderungen durch den Zyklus – sie werden also ab- und aufgebaut und bluten.
Der Schmerz
Professor Hans-Rudolf Tinneberg ist Direktor und Chefarzt der Frauenklinik am Uniklinikum Gießen und Spezialist für Endometriose. Er ist immer wieder entsetzt darüber, wie lange viele seiner Patientinnen gelitten haben, bis die richtige Diagnose gestellt wurde. „Es gibt keinen großen Anreiz, sich mit diesem Krankheitsbild zu beschäftigen. Endometriose ist eine chronische Erkrankung – und diese Patienten bringen nicht viel Geld ein.“
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Endometriose hat ein breites Spektrum an Symptomen, vielleicht ein Grund, warum die Diagnose nicht leicht fällt. Schnell würden Patientinnen in die „Psychoecke“ gestellt. Tinneberg fasst die Symptome mit den großen „D’s“ zusammen: Dysmenorrhoe (Regelschmerzen), Dyspareunie (Schmerzen beim Sex), Dysurie (Schmerzen beim Wasserlassen) und Dyschezie (Schmerzen beim Stuhlgang).
Der chronische Schmerz, der also gar nicht mehr im Zusammenhang mit der Menstruation auftritt, ist ein weiteres Symptom. „Hierbei haben wir aber festgestellt, dass die Intensität der Beschwerden nicht unbedingt mit dem Ausmaß der Herde übereinstimmt“, so Tinneberg. Das heißt, Frauen, in deren Unterleib viele Endometrioseherde gefunden werden, müssen nicht unbedingt stärkere Beschwerden haben. Es gibt auch Betroffene, die gar keine Beschwerden haben, bei denen die Erkrankung ein reiner Zufallsbefund ist. Häufig führt eine Endometriose zu Verwachsungen und Zysten im Bauchraum, so dass sich die Beschwerden intensivieren.
Die Diagnose
„Endometriose kann nur durch eine Bauchspiegelung sicher festgestellt werden“, sagt Hans-Rudolf Tinneberg. Die Operation sollte immer durch Ärzte erfolgen, die mit dem Krankheitsbild vertraut sind und ein Auge für die Lage der Gewebepartikel haben. Ansonsten werden kleinere Herde leicht übersehen. Aber auch die Tastuntersuchung beim Gynäkologen, die Ultraschalluntersuchung und die Kernspintomografie können erste Hinweise auf die Existenz und Lage der Herde geben.
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„Ganz wichtig ist auch, dass der Frauenarzt die Patientin rektal abtastet.“ Viele Ärzte würden es nicht machen, weil es für alle Beteiligten unangenehm sei. Gerade Knoten im so genannten Douglasraum, eine Einsenkung zwischen Mastdarm und Gebärmutter, könnten dadurch aber ertastet werden. Bevor die Patientin sich einer Operation unterziehe, könne man bei einer Verdachtsdiagnose auch erstmal eine Behandlung mit der Pille anvisieren. „Gerade sehr jungen Frauen empfehle ich, eine geeignete Pille ohne Pillenpause zu nehmen und abzuwarten, ob sich die Beschwerden verringern“, rät der Gynäkologe.
Die Bekämpfung der Endometriose ist kein leichtes Unterfangen. Solange die Betroffenen noch nicht in den Wechseljahren sind, werden sie durch die körpereigenen Östrogene immer wieder befeuert. Das heißt, auch wenn die Herde operativ entfernt wurden, werden sie sehr wahrscheinlich wiederkehren. Es gibt kein Patentrezept für die Behandlung der Endometriose. Manche Frauen machen eine Hormontherapie, um den Östrogenspiegel zu senken – nicht alle vertragen jedoch diese Behandlung. Anderen hilft begleitend die alternative Medizin wie Akupunktur oder Phytotherapie (Pflanzenheilkunde). Wegweisend für die individuelle Behandlung ist zudem die Frage, ob ein Kinderwunsch besteht und wie ausgeprägt die Endometriose ist.
Die Entstehung
Warum es überhaupt zur Wucherung der Schleimhautzellen kommt, konnte die Forschung bislang nicht abschließend klären. Es gibt viele Theorien, die aus unterschiedlichen Bereichen stammen. Die so genannte Implantationstheorie geht davon aus, dass Abkömmlinge der Gebärmutterschleimhaut an anderen Stellen anwachsen. Verschleppt würden die Schleimhautzellen zum Beispiel durch einen Rückfluss des Menstruationsblutes in die Bauchhöhle.
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Die Metaplasietheorie vermutet, dass Endometriose durch eine Zellumwandlung entsteht. „Neue Studien zeigen, dass in seltenen Fällen schon neugeborene Mädchen in den Bauchraum bluten“, sagt Tinneberg. Eine Endometriose würde also schon vor der ersten Menstruation auftreten. Eine Beteiligung des Immunsystems und Einflüsse durch Umweltschadstoffe werden ebenfalls diskutiert.