Essen. . Die Zahl der Sportverweigerer wächst. Seit 2007 ist ihr Anteil einer Studie der Techniker Krankenkasse zufolge von 45 auf 52 Prozent gestiegen. Gefragt nach dem Grund, gab fast jeder zweite Bewegungsmuffel Motivationsprobleme an. Der Sportpsychologe rät: Machen Sie den inneren Schweinehund zum Freund.
Schön, fit, aktiv – wenn man der Werbung Glauben schenkt, sind die Deutschen auf einem guten Weg. Auf Plakaten und im Fernsehen scheinen sie allgegenwärtig zu sein: Männer und Frauen, die auf Bewegung und Gesundheit achten. Doch das Bild trügt, so das Ergebnis der aktuellen Bewegungsstudie der Techniker Krankenkasse. Die Zahl der Sportverweigerer wächst. Seit 2007 ist ihr Anteil von 45 auf 52 Prozent gestiegen. Gefragt nach dem Grund, gab fast jeder zweite Bewegungsmuffel den „innere Schweinehund“ an, der nicht zu besiegen sei.
Der „innere Schweinehund“ ist ein Symbol, das seinen Ursprung im 19. Jahrhundert hat – und auf jene Vierbeiner zurückgeht, die bei der Wildschwein-Jagd eingesetzt wurden. Die Sauhunde galten als aggressiv, hetzten die Schweine bis zur Erschöpfung und hielten sie dann hartnäckig fest. Die Bezeichnung wurde zunächst zu einem Schimpfwort und wandelte sich im Laufe der Zeit zum Synonym für Motivationsprobleme – für die Gewohnheit, lieber auf der Couch sitzen zu bleiben oder allerlei Ausreden zu erfinden, statt das umzusetzen, was man sich ganz, ganz fest vorgenommen hatte: Sport zu treiben.
"Der Schweinehund sollte mein Freund sein"
Für Prof. Dr. Henning Allmer, Chef des Instituts für angewandte Gesundheitswissenschaften in Köln, ist das Schweinehund-Symbol ein Teil des Problems. Es sei ein Feindbild. „Am Ende muss man immer wieder losziehen, um gegen dieses Phantom anzukämpfen“, sagt der Sportpsychologe. Das könne quälend und demotivierend sein. Allmer plädiert deshalb für eine neue Sichtweise: „Der Schweinehund sollte mein Freund sein.“
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Die Psychologie unterscheidet bei der Analyse des Wunsches nach mehr Bewegung zwischen zwei Motiven: Zum einen gebe es rationale Überlegungen. „Vielleicht fühlen wir uns gesundheitlich beeinträchtigt und können die Treppen nicht mehr so gut bewältigen. Indem wir das erkennen, meldet sich die Vernunft“, sagt Allmer. Der Mensch folgere, dass er sich mehr bewegen müsste, damit es ihm besser gehe. „Das Problem dabei ist, dass man nicht immer tut, was man vielleicht tun sollte oder müsste.“
Gefühle wirken stärker
Die zweite Komponente – die emotionale – ist die bedeutendere, wie die Wissenschaft festgestellt hat. Ein Gefühl wirke stärker als das Wissen, sagt Allmer. Wer zum Beispiel Angst vor einer Krankheiten und deren Folgen habe, habe eine größere Motivation, seine Ziele in Sachen Sport auch in die Tat umzusetzen.
Wissenschaftliche Belege für die besondere Kraft der Emotionen hat Sportpsychologe Ralf Brand von der Universität Potsdam unter anderem in den Jahren 2006 und 2008 geliefert. Er befragte Probanden und experimentierte mit ihnen am Computer. Ob sie Sport trieben, entschied sich vor allem daran, ob sie mit Aktivität gute Gefühle verknüpften – etwa die Erwartung, sich dabei oder danach wohl zu fühlen. Um dort hinzugelangen, „sind positive Erfahrungen entscheidend“, sagt Brand.
Druck von außen und Selbstbestrafung als Hemmschwellen
Deshalb sei es wichtig, Sport stets richtig zu dosieren. „Viele neigen dazu, zu viel zu machen, wenn sie sich endlich dazu durchgerungen haben“, sagt Brand. „Wenn Sie aber Muskelkater ohne Ende haben, paart sich Ihr aktives Verhalten nicht mit einem guten Gefühl.“ Brand rät, das gut dosierte Training mit einem ausgebildeten Sportlehrer zu erarbeiten. „Das gehört zu deren Kerngeschäft.“ Und viele Aktivitäten auszuprobieren, bis man die richtige für sich entdeckt habe. „Es gibt nicht die eine Sportart, die die Gesundheit fördert. Um einen Einstieg zu finden, sollten man das, was man tut, gern machen.“
Blut, Schweiß und Tränen
Weitere Hemmschwellen, die dem inneren Schweinehund Macht verleihen, sind der Wissenschaft zufolge Druck von außen und die Selbstbestrafung. „Wenn Menschen nur Fremderwartungen erfüllen wollen, entwickeln sie keine eigenen Wünsche“, sagt Henning Allmer. Schnell ließen sie sich von ihren Vorhaben abbringen, was wiederum zu Gewissensbissen und schlechten Gefühlen führe. „Sich selbst Vorwürfe zu machen ist kontraproduktiv“, sagt Ralf Brand.
Das Scheitern einkalkulieren
Brand wie Allmer raten denen, die sich mit Erfolg aufraffen wollen, zu realistischen, konkreten Plänen. Und die sollten durchaus schriftlich formuliert werde. „Schreiben Sie sich einen Termin, etwa Mittwoch, 19 Uhr, in den Kalender und lassen Sie sich daran erinnern“, empfiehlt Henning Allmer. Ralf Brand ergänzt: „Dinge zu formulieren hilft dabei, dass aus einer Absicht tatsächlich Verhalten werden kann.“ Ein mögliches Scheitern sollte zunächst immer mit einkalkuliert werden. Psychologe Brand empfiehlt: „Sagen Sie sich, dass Sie auf jeden Fall am Tag darauf Sport treiben, wenn Ihnen an dem ursprünglich geplanten Termin etwas dazwischen kommt.“