Frankfurt. Wo habe ich den Autoschlüssel hingelegt? Was wollte ich gerade noch mal tun? Verwirrtheit und Vergesslichkeit in der Schwangerschaft wirken erschreckend. Grund dafür sind wohl hormonelle Prozesse. Das Phänomen ist aber unbedenklich - und Frauen können etwas dagegen tun.

Während der Schwangerschaft und der Stillzeit neigen viele Frauen zu Vergesslichkeit, Verwirrtheit und zu Wortfindungsstörungen. "Dieses Gedächtnisdefizit ist aber nicht bleibend", sagte Silvia Oddo, Psychotherapeutin mit Schwerpunkt Geburtshilfe an der Uniklinik Frankfurt, dem dpa-Themendienst. Daher sei der Begriff Schwangerschafts- oder Stilldemenz auch unpassend - denn eine Demenz bezeichnet einen Abbauprozess.

Die Vergesslichkeit ist aber mehr als eine subjektive Wahrnehmung. Verschiedene Studien belegen, dass das als Schwangerschaftsdemenz umschriebene Gedächtnisdefizit vor allem höhere Gedächtnisleistungen betrifft. "Schwangere oder Stillende können oft keine komplexen Handlungen mehr planen oder ihre Emotionen regulieren", erklärte die Expertin. Neuere Studien zeigen, dass auch das vorausschauende Gedächtnis betroffen ist. So hätten Schwangere oft Schwierigkeiten, Termine einzuhalten, die wenige Tage in der Zukunft liegen.

Mutter und Kind leben in einem Mikrokosmos

Für die Vergesslichkeit sind aber keine strukturellen Veränderungen im Gehirn verantwortlich. "Es ist kein anatomischer Zusammenhang bekannt." Vielmehr gehe die Wissenschaft davon aus, dass dem Gedächtnisdefizit hormonelle Prozesse zugrunde liegen. Nach der Geburt sind der Oxytocin- und der Prolaktin-Spiegel erhöht. Die vermehrte Hormonausschüttung fördert auf der einen Seite die Bindung an das Neugeborene, führt aber auch zu einer Fokussierung. "Mutter und Kind leben dadurch in einem Mikrokosmos - andere Lebensbereiche werden vergessen", sagte Oddo.

Durch eine Schwangerschaft wird das ganze Leben durcheinandergebracht. "Der Körper weiß dann nicht mehr: Soll ich mich nach mir richten oder nach den Bedürfnissen des Kindes?" Gerade nach der Entbindung gibt es keinen geregelten Tagesablauf. Und schon vorher fehlt es der werdenden Mutter an Tiefschlafphasen - etwa, weil sie durch den dicken Bauch keine bequeme Schlafposition findet. Der Stress durch den neuen Rhythmus und massive Schlafprobleme führen in der Folge zu Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen. In der Regel sind sie aber nur von kurzer Dauer.

Mütter sollten auch mal eine Nacht durchschlafen

Um nicht der Vergesslichkeit zu verfallen, hält Oddo einige Tipps für Mütter bereit. "Sie sollten versuchen, auch mal eine Nacht durchzuschlafen." In der Nacht könne der Mann sich um das Kind kümmern. Um an genügend Schlaf und Ruhe zu kommen, müssten Frauen außerdem lernen, den Haushalt liegen zu lassen. "Gerade im Anfang der Stillzeit sollte die Mutter dann schlafen, wenn das Kind schläft, anstatt abzuwaschen oder den Haushalt zu machen." Gehe sie doch der Hausarbeit nach, ist es wichtig, kleine Dinge zu Ende zu bringen, bevor sie sich wieder dem Kind zuwendet.

Neben regelmäßigem Schlaf braucht das Gehirn auch genügend Nahrung und Flüssigkeit, um richtig arbeiten zu können. "Viel trinken und ausgewogen ernähren", empfahl Oddo. Kleine Notizen helfen, sich an Termine zu erinnern. "Ganz wichtig ist auch, sein Gehirn anderweitig zu fordern, als sich nur um Kind und Haushalt zu kümmern." Dazu gehöre es, Zeitung zu lesen oder sich mit Freunden zum Quatschen zu treffen. (dpa)