Essen. Migräne ist eine Volkskrankheit. Mehr als jede zehnte Frau leidet darunter, auch immer mehr Kinder sind betroffen. Bei einer Attacke ist es wichtig, schnell zu reagieren. Denn dieser Schmerz ist wie kein anderer.
Dieser Schmerz ist wie kein anderer. „Es ist, als ob eine Faust gegen meinen Schädel hämmert“, sagt Simone F.* (47) aus Mülheim, die seit der Jugend immer wieder unter Migräneanfällen leidet. „Wenn ich merke, dass sich meine Nackenmuskeln verspannen, dann ist es oft schon zu spät“, sagt sie. „Ich hoffe jedes Mal, dass es nicht zu schlimm wird.“ Wird es doch ein heftiger Anfall, steigern sich die halbseitigen, stechenden Kopfschmerzen zu einer kaum erträglichen Pein. „Dazu kommen eine entsetzliche Übelkeit und die Lichtempfindlichkeit, die manchmal sogar länger als einen Tag andauern.“
Schätzungsweise mehr als 10 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Migräne. Sie ist nicht heilbar, aber sie kann manchmal erfolgreich behandelt werden.
Wer ist betroffen?
Mehr Frauen als Männer. Das heißt in Zahlen: 12 bis 14 Prozent der Frauen leiden unter Migräne und 8 bis 10 Prozent der Männer. Wir sprechen hier übrigens nicht über ein reines Erwachsenen-Leiden. Mediziner gehen davon aus, dass in Deutschland mehr als jedes 20. Kind von Migräneattacken heimgesucht wird.
Und es werden in dieser Altersgruppe immer mehr. Mediziner sehen Gründe für diese Zunahme: Belastungen in der Schule, steigender Druck, aber auch das Freizeitverhalten. Den Kindern fehlen Bewegung und frische Luft. „Früher haben sie viel draußen gespielt, heute verbringen sie mehr Zeit vor dem Computer“, sagt Dr. Kasja Rabe, die das Westdeutsche Kopfschmerzzentrum an der Universitätsklinik Essen leitet.
Insgesamt kann man Migräne als große Volkskrankheit bezeichnen: Durch die starken Attacken und damit verbundene Fehlzeiten im Beruf gehen nach Angaben der Kopfschmerzspezialisten jährlich eine Million Arbeitstage in Deutschland verloren.
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Die Symptome
Vor allem Kopfschmerzen, meist auf einer Seite. Manchmal beginnt der Schmerz im Nacken und zieht zur Schläfe. „Der Schmerz pocht und pulsiert wie ein Herzschlag“, sagt Kasja Rabe. Viele Betroffene klagen, dass der Schmerz bei Bewegung schlimmer wird. Eine Migräneattacke dauert zwischen vier Stunden und drei Tagen. Typische Begleitsymptome sind Übelkeit bis zum Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit. Bei Kindern trete der Kopfschmerz meist auf beiden Seiten auf, sagt die Ärztin. Wenn Kinder aufhören zu spielen, sich freiwillig hinlegen und die Nähe der Eltern suchen, seien das Hinweise. „Kinder können die Symptome oft noch nicht genau beschreiben“, erklärt Kasja Rabe.
Risikogruppen
Eine internationale Forschergruppe hat vor einiger Zeit Regionen im menschlichen Erbgut entdeckt, die die Anfälligkeit für Migräne beeinflussen. Damit hatte sich bestätigt, was bereits vermutet worden war: Ein Risiko ist die Veranlagung. Häufig gibt es in einer Familie gleich mehrere Migränefälle. Auch die Hormone spielen eine Rolle. Einige Frauen bekommen Migräne während ihrer Periode, andere zur Zeit des Eisprungs. In den Wechseljahren haben die Betroffenen oft weniger Last, manchmal sogar gar keine mehr.
Wie vorbeugen?
Es sind diese Dinge, von denen wir eigentlich wissen sollten, dass sie unserer Gesundheit gut tun: Ein möglichst geregelter Lebensrhythmus, also immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen und aufstehen. Dazu regelmäßige Pausen, auch an einem stressigen Arbeitstag, am besten mittags eine Runde um den Block drehen. Viel trinken, aber wenig Alkohol, eine ausgewogene Ernährung. Und Bewegung. „Migräne-Patienten rate ich zu dreimal in der Woche Ausdauersport. Anfangs beispielsweise 30 Minuten walken oder spazierengehen und Yoga oder progressive Muskelentspannung“, sagt Expertin Kasja Rabe.
Bei schweren Fällen können auch Medikamente zur Vorbeugung von Attacken eingesetzt werden – in enger Absprache mit dem Arzt natürlich. Dabei werden meist Präparate verschrieben, die ursprünglich bei anderen gesundheitlichen Problemen helfen sollten wie bei Herz-Erkrankungen, Bluthochdruck oder Epilepsie. Deren positive Wirkung bei Migräne wurde eher nebenbei erkannt. Beta-Blocker, Calciumantagonisten oder Anti-Depressiva sind das. „Länger als sechs Monate sollte man diese aber ohne Rücksprache mit dem Arzt nicht einnehmen“, warnt Rabe.
Möglichst schnell behandeln
Migräne lässt sich nicht vertrösten: Wichtig ist also, schnell etwas zu tun, bei den ersten Vorboten einer Attacke. Manchen Betroffenen hilft Minzöl, japanisches Heilöl, das sie an Schläfen, Stirn und Nacken einmassieren. Auch eine Kühlung der Kopfregion kann gut tun. „Viele Patienten machen automatisch das Richtige“, sagt die Essener Medizinerin, „sie gönnen sich Ruhe, legen sich schlafen, wissen selbst, ob ihnen jetzt eine Kopfschmerztablette hilft.“ Folgende Medikamente hätten sich bewährt: Ibuprofen 400-600 mg, Aspirin 500-1000 mg, manchmal auch Paracetamol 500-1000 mg. Für schwere Fälle gibt es auch spezielle Migräne-Medikamente, so genannte Triptane, die in Kleinpackungen rezeptfrei erhältlich sind.
Hier bekommen Sie Hilfe
Das Westdeutsche Kopfschmerzzentrum an der Universitätsklinik Essen zählt zu den wenigen Zentren bundesweit, die sich auf Kopfschmerzen und Migräne spezialisiert haben. Kontakt: Westdeutsches Kopfschmerzzentrum, Hufelandstraße 26, 45147 Essen, Tel.: (0201) 436960, Internet: www.westdeutsches-kopfschmerzzentrum.de.
Kopfschmerzen und Migräne sind bei Kindern schon im Kindergartenalter ein zunehmendes Problem. An Eltern richtet sich eine Infoveranstaltung am 25. September um 18 Uhr in der Uni-Klinik. Anmeldung per Mail an westdeutsches.kopfschmerzzentrum@uni-due.de
Hilfe zur Selbsthilfe bekommen Migräne-Kranke beim deutschlandweit tätigen Verein Migräne-Liga. Infos im Netz: www.deutsche-migraeneliga.de. Eine Ärzte-Liste und Therapie-Empfehlungen finden sich auf der Internetseite der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, www.dmkg.de.
* Name geändert