Chengmai. Auf der chinesischen Insel Hainan sind von den 560.000 Einwohner etwa 200 über 100 Jahre alt - das ist eine der höchsten Quoten weltweit. Experten ziehen Vergleiche mit anderen Staaten, die viele alte Menschen beherbergen, und stellen Gemeinsamkeiten bei Sport, Familie und Ernährung fest.

Chengmai auf der chinesischen Tropeninsel Hainan besteht aus einer Reihe von Dörfern mit Orangenplantagen. Viele Einheimische wohnen in unbeheizten Behausungen von einer paar Dollar am Tag, die Alten durchlitten Kriege und Hungersnöte. Trotzdem haben sie eine der höchsten Lebenserwartungen der Welt: Mehr als 200 der 560.000 Einwohner leben schon mehr als 100 Jahre - das ist eine der höchsten Quoten weltweit. Mindestens drei sind sogar über 110 Jahre alt - davon gib es weltweit weniger als 400 Menschen.

Li Aizhu ist eine von ihnen. Laut Ausweis wurde sie im Jahr 1900 geboren, elf Jahre vor dem Sturz des letzten chinesischen Kaisers. Täglich humpelt die Weißhaarige aus ihrem winzigen Schlafzimmer, in dem ein Ventilator gegen die Hitze ankämpft, um die Enten auf dem Bauernhof ihrer Familie zu beobachten. Regierungsvertreter brachten ihr eine Metallplakette, die sie als "langlebige Berühmtheit" ausweist. Nun erhält sie umgerechnet 63 Euro Rente monatlich und kostenlose medizinische Versorgung.

Verschiedene Faktoren spielen eine Rolle

Auch auf Kuba, den griechischen Inseln, Japan und auf einer Halbinsel in Costa Rica gibt es besonders viele Langlebige. Wissenschaftler fanden folgende Gemeinsamkeiten im Lebensstil: Eine zentrale Rolle der Familie, körperliche Aktivität und eine pflanzliche Ernährung.

Als China dramatische Veränderungen durchlief - von der japanischen Invasion bis zum Sieg der Kommunisten im Bürgerkrieg - lief das Leben in Chengmai weiter: Die meisten Bewohner bauten weiterhin Getreide an, wie sie es immer getan hatten. "Ich habe nie Sport gemacht, abgesehen von harter Feldarbeit", sagt der 86-jährige Wang Kailu, der mit seiner Frau Wu Aihe in einer einfachen Hütte lebt. Das Paar heiratete nach eigenen Angaben am Tag nach der Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg vor 68 Jahren. Ihre einstöckige Behausung ist kaum möbliert, für seinen kleinen Gemüsegarten holt Wang Wasser aus einem Brunnen.

Die US-Altersforscherin Jennifer Holdaway schreibt vor allem der landwirtschaftlichen Prägung der Insel das hohe Alter vieler ihrer Bewohner zu. "Es gibt nicht viel Industrie, das Klima ist gut, sie haben viel Bewegung und die Ernährung ist gesund, sie haben genug frisches Obst und Gemüse, und der Boden ist reich am Spurenelement Selen", sagt sie.

Jeden Abend etwas Alkohol

Xu Yuhe, laut Ausweis 104 Jahre alt, findet auch ihr tägliches Getreideschnäpschen überlebenswichtig. "Ich trinke jeden Abend Alkohol, nur ein bisschen, das wärmt", sagt auch Sheng She, eine 80-Jährige mit angeblich 31 Kindern und Enkeln.

Auch ein aktives soziales Leben ist ein Schlüssel zur Langlebigkeit, wie Experten betonen. Das Teehaus in Chengmai ist jeden Morgen voll von Alten, die Karten spielen, plaudern und Opernaufnahmen aus scheppernden Lautsprechern lauschen. "Ich komme jeden Morgen hierher, um Sport zu machen, Oper zu schauen und Tee zu trinken", sagt Sheng, bevor sie an einem gelb gestrichenen Gestänge Gymnastik macht.

Eine von der Kommunistischen Partei in Chengmai in Auftrag gegebene Studie nennt folgende Gründe für das Phänomen: "fleißig, einfach und großherzig, vorwiegend vegetarische Ernährung, vernünftiges Essen, früh schlafen und früh aufstehen".

Die Wissenschaftler betonen, Langlebigkeit sei selten in reichen Gegenden anzutreffen. "Wenn Sie in einem Klima wie diesem leben, brauchen sie nicht viel, um sich wohl zu fühlen", sagt Holdaway. "Eine einfache Behausung, ein Moskitonetz, ein paar Rattan-Stühle und andere Leute, mit denen Sie abhängen können." (AFP)