Berlin. Altmedikamente belasten zunehmend die Umwelt und das Trinkwasser: Laut Deutsche Umwelthilfe (DUH) würden zu viele Bundesbürger ihre Arzneimittel über das Waschbecken oder der Toilette entsorgen. Nun fordert die DUH ein bundesweit einheitliches Entsorgungssystem.

Umweltschützer warnen vor den Folgen falsch entsorgter Arzneimittel für Menschen und Tiere. Weil Altmedikamente zunehmend die Umwelt und das Trinkwasser belasteten, müsse dringend ein zentrales Sammelsystem eingerichtet werden, forderte am Mittwoch in Berlin die Deutsche Umwelthilfe (DUH).

Um größere Umweltschäden zu vermeiden, müsse ein bundesweit einheitliches Entsorgungssystem geschaffen werden. In Deutschland dürfen die meisten Medikamente über den Haushaltsmüll entsorgt werden. Nach DUH-Angaben kippen zudem viele Bundesbürger ihre abgelaufenen Heilmittel einfach in das Waschbecken oder die Toilette. Auf diesen Wegen gelangten die Arzneien in das Grundwasser, Seen und Flüsse. "Altmedikamente belasten Grund- und Trinkwasser, schädigen die Natur und landen über die Nahrungskette schließlich auch beim Menschen", erklärte Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der DUH.

Entsorgungssystem einrichten

Die EU hatte ihre Mitgliedsstaaten bereits 2004 aufgefordert, ein Entsorgungssystem für abgelaufene oder ungenutzte Arzneistoffe einzurichten. Dieser Vorgabe ist Deutschland laut der Umwelthilfe nicht nachgekommen. "Die geltende Rechtslage verstößt nicht nur gegen EU-Recht, sondern auch gegen den gesunden Menschenverstand. Deutschland braucht dringend ein einheitliches Sammelsystem für Altmedikamente", erklärte Resch.

Bislang bieten nach Angaben der Umwelthilfe weniger als ein Drittel der über 21.000 Apotheken in Deutschland die Rücknahme von Medikamenten als freiwillige Serviceleistung an. Verpflichtet sind sie dazu aber nicht. Geht es nach der DUH, sollen künftig alle Apotheken Medikamente zurücknehmen müssen. Für die Kosten dieses Systems sollen demnach die Pharmahersteller aufkommen.

30.000 Tonnen Medikamente im Jahr

Allein in Deutschland werden etwa 30.000 Tonnen Medikamente im Jahr verabreicht. Viele der darin enthaltenen 3000 Wirkstoffe werden vollständig über den Urin ausgeschieden und können von Bakterien in den Klärwerken nicht zersetzt werden. Dies gilt nach wissenschaftlichen Studien etwa auch für das Hormon Östrogen in der Antibabypille. Unterhalb von Klärwerken verweiblichen demnach männliche Fische deshalb oftmals und produzieren Rogen statt Sperma.

Mitte Februar hatten schwedische Wissenschaftler in der US-Fachzeitschrift "Science" berichtet, dass bestimmte Arzneirückstände im Wasser Verhaltensänderungen bei Barschen bewirkt hätten. Die Forscher von der Universität Umea hatten Barsche dem Wirkstoff Oxazepam ausgesetzt, in einer Konzentration wie sie unterhalb von Klärwerken in schwedischen Flüssen gemessen worden war. Die Schwarmfische zeigten der Studie zufolge rasch ein asozialeres Verhalten, indem sie sich sich von ihren Artgenossen entfernten.(AFP)