Dortmund. . Durch den Einsatz der Hände wollen Osteopathen Beschwerden lindern. Statt oberflächlich zu behandeln, möchten sie zu den Wurzeln des Übels gelangen. Die Behandlungsmethode boomt, in vielen Praxen liegen die Wartezeiten bei mehreren Wochen.

Verspannungen, Verletzungen, Schmerzen – die Praxen der Osteopathen sind voll von Menschen mit Problemen von Kopf bis Fuß. Die Wartezeiten in vielen Praxen liegen bei mehreren Wochen.

Osteopathie boomt, doch was ist das eigentlich, Osteopathie? Ein Besuch in der Dortmunder Praxis "tastbar" von Verena Sandt.

"Eine ganzheitliche Wahrnehmung"

"Man versucht, an die Wurzeln des Übels zu gelangen", sagt die ausgebildete Physiotherapeutin, während sie ihre Hände mit sanftem Druck über den Bauch der Patientin bewegt. Dagmar Bourmann (63) hat eine neue Hüfte erhalten. Manchmal schmerzt es noch.

Therapeutin Verena Sandt (40) arbeitet nicht nur an der Hüfte. Ihre Hände greifen, drücken, schieben, mobilisieren am ganzen Körper. "Es geht uns um eine ganzheitliche Wahrnehmung. Im Körper hängt alles mit allem zusammen." Salopp gesagt: Manchmal müsse man unten ziehen, damit es oben wieder besser passt.

Osteopathie gegen Rückenschmerzen

Beispiel Rücken. Sehr viele Patienten kommen mit Problemen im Lendenwirbelsäulenbereich. "Auch wenn es sich vielleicht seltsam anhört, ich gehe dann auch mit den Händen in den Bauchbereich, weil hier häufig Spannungen sitzen, die man manuell lösen kann." Beweglichkeit schaffen, das ist das Ziel der Osteopathen.

Der Rücken nimmt eine besondere Rolle in der Osteopathie ein, denn Rückenschmerzen sind extrem verbreitet, so die Therapeutin. Doch längst nicht immer sei es der Rücken selbst, der Probleme aufweist. "Im Bereich der Lendenwirbelsäule gibt es Verbindungen zu den weiblichen Geschlechtsorganen. Frauen kennen das ja: Rund um die Menstruation haben sie häufig Rückenschmerzen."

Auch wenn der Darm in der natürlichen Bewegung eingeschränkt sei, könne es zu Rückenproblemen kommen.

Fünf Jahre Zusatzausbildung

Wie man die inneren Organe manuell so in Bewegung bringt, dass sie sich harmonisch entfalten können, hat Verena Sandt in etwa fünf Jahren Zusatzausbildung gelernt.

Auch, dass man den menschlichen Körper nicht als Sammelsurium der Einzelteile begreift, sondern als Ganzes. Der Körper bestehe eben nicht nur aus Knochen, obwohl "osteon" ja "Knochen" heißt, sondern auch aus Muskeln, Nerven und Bindegewebe. Das Geflecht zwischen diesem großen Ganzen und den Organen sei das Spielfeld der Osteopathen.

"Das ist ein anderer Ansatz als der, den ich als Physiotherapeutin verfolgt habe." Wenn beispielsweise immer wieder ein Wirbel herausspringe, werde er nicht nur einfach wieder eingerenkt. "Wir gucken, wo die Ursache ist."

Die Ursache für herausgesprungene Wirbel oder für Zähneknirschen, für Ohrensausen oder Sodbrennen – das Feld der Osteopathie ist weit.

Kopfschmerzen durch Computer-Arbeit

Klassiker in der osteopathischen Praxis seien allerdings mehr solche Alltagssbeschwerden wie Kopfschmerzen, die typischerweise durch zu langes Sitzen am Computer ausgelöst werden. Ein Osteopath, so Verena Sandt, geht jetzt nicht nur am Nacken vor. "Man muss sich auch hier ganz besonders das Zwerchfell und die Strukturen im Bauchraum angucken."

Verena Sandt macht die Haltung am Computer nach – mit eingesacktem Bauch. "Wenn man diese Bereiche mobilisiert und sich der Körper wieder aufrichten kann, beeinflusst man die Muskulatur am Nacken positiv."

Therapie ohne Nebenwirkung

Patientin Dagmar Bourmann schätzt die Osteopathie. Bevor sie die neue Hüfte bekam, war sie acht Jahre lang in osteopathischer Behandlung. "So konnte ich die Hüft-Operation hinauszögern – ohne aber von Schmerzmitteln abhängig zu werden. Ich wollte diese ganze Chemie einfach nicht in meinem Körper haben."

Eine Therapie, die für sich beansprucht, praktisch ohne Nebenwirkung zu sein, überzeugt vor allem Eltern: Kinder mit Fehlstellungen der Beine oder mit Zähneknirschen kommen zu ihr, aber auch Eltern mit Säuglingen. Thema "Schrei-Babys": "Durch die Geburt kann es zu typischen Blockaden in den oberen Kopfgelenken und im Bereich der gesamten Wirbelsäule und des Beckens kommen. Hier kann man viel erreichen, wenn man mit sanftem therapeutischen Druck diese Strukturen wieder entspannt."

Vielfach kämen Patienten auch, so Sandt, wenn sie schon sehr viele Therapien hinter sich hätten. Häufig seien die Osteopathen dann eine Art letzter Versuch. Doch hier sei ein Wandel zu bemerken, so Sandt.

Die Osteopathie werde immer beliebter – und bezahlbarer. Weil seit einiger Zeit viele Krankenkassen einen Großteil (oft 80 Prozent, und etwa sechs Stunden pro Jahr) der Therapiekosten übernehmen. Die Kosten für eine Stunde variierten. Verena Sandt spricht in etwa "von 68 bis 95 Euro" pro Sitzung.

"Wie Muskelkater"

Zur Behandlung setzt Sandt etwa drei bis vier Sitzungen an, allerdings in großen Abständen. „Nach der ersten Behandlung benötigt der Körper erst einmal Ruhe. Manche sagen, sie fühlten sich am nächsten Tag richtig frisch und fit.

"Andere allerdings bemerken in den ersten Tagen eine Art Erstverstärkung, die sich wie Muskelkater anfühlen kann." Deshalb sei eine Pause von drei bis vier Wochen günstig. Der Körper müsse sich eben neu sortieren, um sich neu zu finden.