Berlin. Bei den eigenen Kindern achten Eltern darauf, dass der Impfschutz vollständig ist. Gute Vorbilder sind die Erwachsenen allerdings selten: Die wenigsten achten bei sich selbst auf ausreichenden Impschutz. Einige Experten plädieren daher für eine Impfpflicht. Aber ist das der richtige Weg?
Schutzimpfung ist Kindersache - Erwachsene und Jugendliche sind beim Impfschutz wesentlich gedankenloser: "Unser Problem sind nicht die kleinen Kinder ", sagte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO) , Jan Leidel. Sie würden verhältnismäßig gut geimpft.
Leidel äußerte den Wunsch an Hausärzte, bei ihren Patienten regelmäßig den Impfpass auf Lücken zu überprüfen. Von einer generellen Impfmüdigkeit in Deutschland könne man nicht sprechen, betonte er, wohl aber von Nachlässigkeit und einer zunehmenden Impfskepsis.
Kinder und Tiere sind gut geimpft "Mir fällt immer auf, dass fast alle Tierhalter den gelben Ausweis ihres Hundes oder ihrer Katze zur Hand haben, aber ihren eigenen schon seit Jahren nicht mehr gesehen haben", sagte der Virologe. Bei Kinderimpfungen gebe es demgegenüber mittlerweile eine gute Beteiligung. "Sie ist noch immer unzureichend bei Meningokokken, sie reicht noch nicht ganz, was die zweite Masernimpfung angeht, und sie ist bei der Hepatitis B verbesserungsfähig. Aber im Großen und Ganzen ist sie schon ganz gut."
Eine hohe Impfquote sei vor allem wichtig bei ansteckenden Krankheiten. "Wenn sich genügend Menschen gegen bestimmte Krankheiten impfen lassen, dann sterben diese Krankheiten aus", erklärte Leidel, und verwies auf das Beispiel Pocken. Je ansteckender ein Erreger sei, desto höher müsse die Impfquote sein.
Pflichtimpfung könne "Antihaltung" verstärken Eine an Masern erkrankte Person könne relativ viele andere Menschen anstecken, deshalb sei eine hohe Durchimpfungsrate - etwa 96 Prozent - nötig, um Ausbrüche zu verhindern. "Bei der Kinderlähmung würden schon 80 Prozent reichen, das ist von Krankheit zu Krankheit unterschiedlich."
Pflichtimpfungen einzuführen, ist Leidels Ansicht nach dennoch nicht sinnvoll. "Ich setze auf hartnäckige Beratung und Information, die so angelegt sein muss, dass sie auch auf die Sorgen der Eltern eingeht", betonte er. "Ich glaube, dass man mit einer Verpflichtung Vertrauen verliert in diese Maßnahme und die Antihaltung verstärkt."
Zunehmende Skepsis gegen gesamte Schulmedizin Für verpflichtende Impfungen haben sich Teile der Ärzteschaft ausgesprochen. So forderte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), einen umfassender Impfschutz zur Bedingung für den Besuch einer Kindertagesstätte zu machen.
Dazu sagte Leidel, die Bedeutung des Kindergartenbesuchs für die Entwicklung der Kleinen sei erwiesenermaßen groß. "Sie davon fernzuhalten, bloß weil die Eltern eine falsche Einstellung zur Masernimpfung zu haben, ist auch nicht die richtige Lösung." Nach seiner Einschätzung haben in den vergangenen Jahren Vorbehalte gegen Impfungen zugenommen. Die gesamte Schulmedizin werde mehr als früher mit Skepsis betrachtet, und im Zusammenhang mit der Suche nach sanften Alternativen gebe es auch eine kritische Einstellung zu Schutzimpfungen , sagte Leidel.
Viel Leid wäre durch höhere Impfquote vermeidbar Als besonders bedauerlich bezeichnete er die relativ niedrige Quote bei der Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV). Diese schütze effektiv nicht nur vor Gebärmutterhalskrebs , sondern auch vor anderen durch Papilloviren verursachte Krebsarten und Genitalwarzen. Empfohlen wird die HPV-Impfung von der STIKO für Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren. Die Impfquote liegt bei 30 bis 40 Prozent.
"Wenn ich mir vorstelle, was da an Leid vermeidbar wäre, dann macht mich das schon traurig", erklärte Leidel. Die STIKO ist beim Robert Koch-Institut in Berlin angesiedelt und hat die Aufgabe, Risiken und Nutzen bestimmter Impfungen zu prüfen und abzuwägen. Dem entsprechend werden dann bestimmte Empfehlungen gegeben. (dapd)
Großübung Impfung
Samstag der13.10.2012 Essen, Großübung der Feuerwehr Essen und Klinikum am Samstag den 13.10.2102. Impfen beim Ausbruch einer Pandemie. 20 Medizinstudentinnen und -studenten in Essen griffen zur Impfnadel. Nachdem sie zuvor zwei Tage lang von Ärzten des Universitätsklinikums Essen,Mitarbeitern des Essener Gesundheitsamtes und Spezialisten der Essener Feuerwehr geschult worden waren.Foto: Olaf Fuhrmann / WAZ FotoPool
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