Bonn/Marburg. Eine neue Partnerschaft ist auch im Alter noch möglich - selbst nach dem Tod des früheren Partners. Psychologen raten älteren Menschen durchaus dazu, noch einmal auf die Suche zu gehen. Allerdings ist das Thema Sexualität im Alter oft mit Ängsten behaftet. Zu unrecht, wie Experten meinen.

Auch ein älteres Herz kann noch Luftsprünge machen. "Wer sich im Alter noch mal verliebt, hat genau die gleichen Gefühle wie damals mit 17", sagt Uwe Kleinemas, Altersforscher an der Universität Bonn. Neben Schmetterlingen im Bauch verspürten viele Senioren auch eine Verbesserung ihrer Gesundheit und ihres psychischen Befindens. "Eine neue Liebe kann auch in späten Jahren sehr sinnstiftend wirken - man weiß wieder, wofür es sich zu leben lohnt", sagt der Experte.

Laut der Diplom-Psychologin Christiane Schrader entwickeln Menschen mit zunehmendem Alter einen besonderen Eigen-Sinn - "Das heißt, Ältere wissen besser, was sie wollen und was sie brauchen", sagt die Expertin vom Institut für Alternspsychotherapie und Angewandte Gerontologie in Marburg. Auch bei der Partnersuche seien daher viele wählerischer als in jungen Jahren. "Das bedeutet aber nicht, dass man sich im Alter nicht mehr auf einen neuen Menschen einlassen kann. Wer sich eine Beziehung wünscht, ist durchaus zu Kompromissen bereit", sagt Schrader.

Selbstzweifel gehören dazu

Allerdings ist die Partnersuche trotz einiger Lebenserfahrung im Alter nicht unbedingt einfacher. "Vor allem Frauen sind oft besorgt, dass andere sie nicht mehr attraktiv finden könnten", berichtet Kleinemas. Ältere Männer hingegen plagten häufig Zweifel, ob sie beim Sex mit einer neuen Partnerin noch die gewünschte Leistung erbringen können. "Mit diesen Gefühlen steht man aber nicht allein da. Die Angst davor, abgelehnt zu werden, kennen auch die anderen älteren Singles", gibt Christiane Schrader zu bedenken.

Manche Senioren haben auch Hemmungen, sich nach dem Tod ihres Partners noch einmal für eine neue Beziehung zu öffnen. "Viele haben die Vorstellung, dass man nach dem Ende einer Ehe allein bleiben sollte. Allerdings stammen diese Werte noch aus einer Zeit, in der die Leute ohnehin nicht sehr alt wurden", sagt Kleinemas. Heutzutage seien Senioren viel länger körperlich und geistig fit, und mancher habe nach dem Tod des Partners noch etliche Lebensjahre vor sich. "Man sollte sich auch fragen, ob der verstorbene Partner nicht auch gewollt hätte, dass man wieder glücklich wird", gibt Kleinemas zu bedenken.

Initiative ist entscheidend

Auch in der Öffentlichkeit sei es inzwischen kein Aufreger mehr, wenn ältere Menschen wie etwa Altkanzler Helmut Schmidt nach dem Tod ihres Partners noch einmal eine neue Beziehung eingehen. "Manche Senioren fürchten allerdings, dass ihre Kinder eine neue Partnerschaft missbilligen könnten", sagt Kleinemas. Tatsächlich hätten Töchter und Söhne in so einer Situation manchmal Bedenken - auch aus Sorge um das Erbe. "Das Beste ist, man spricht die eigenen Befürchtungen bei seinen Kindern an. "Für viele ist es sehr erleichternd, wenn sie erfahren, dass ihre Familie sie da voll und ganz unterstützt."

Unabhängig vom Alter gilt bei der Partnersuche stets: Gelegenheit macht Liebe! "Man sollte nicht in seinem Gärtchen sitzen und warten, bis ein Prinz vorbeikommt", betont Kleinemas. Viele Senioren nutzten inzwischen spezielle Internetseiten für Alleinstehende, um Kontakt zu anderen Singles zu knüpfen. Aber auch bei Veranstaltungen im realen Leben bieten sich verschiedenste Gelegenheiten, neue Leute kennenzulernen. "Man kann auch gemeinsam mit seinen Freunden losziehen, um neue Kreise zu erschließen", sagt Christiane Schrader.

Die Suche nach neuer Liebe wirkt belebend

Wichtig sei, dass man dem Glück eine Chance gebe. Uwe Kleinemas rät Senioren, ihre Ansprüche bei der Partnersuche nicht in den Himmel zu schrauben. "Haben Sie außerdem Geduld und lassen Sie sich und dem anderen Zeit, eine beständige Beziehung aufzubauen", lautet sein Rat. Im Alter suchten viele vor allem nach Nähe, Vertrautheit, Zärtlichkeit. Dafür sei es wichtig, dass einen ähnliche Interessen und Werte mit dem Partner verbinden. "Natürlich kann man auch gemeinsam neue Interessen entdecken."

Da das Thema körperliche Nähe im Alter mit vielen Ängsten behaftet sei, sei es jedoch empfehlenswert, Intimität und Sex nicht schon am Anfang zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Schon die Suche nach einer neuen Liebe kann den Alltag im Alter spannender machen, sagt Christiane Schrader. "Auch wenn man schließlich vielleicht doch keinen Partner fürs Leben findet, lernt man auf diesem Weg oft viele nette Menschen kennen und erlebt Dinge, die einem sonst verborgen geblieben wären", sagt die Expertin. (dapd)