Berlin. Wegen den Hintertürchen in der Verteilung des Organspendesystems fordern Experten und Politik unabhängige Kontrollen, die eine gerechte Ausgabe der Organe garantieren. Wie stark diese Reformen ausfallen sollen, diskutieren die Politiker und Fachgrößen zur Zeit.

Ärzte und Politiker denken angesichts der Schwachstellen bei der Vermittlung von Spenderorganen über Reformen nach. Der Ärztliche Direktor der Berliner Charité, Ulrich Frei, fordert bei der Zuteilung von Organspenden außerhalb des regulären Wartelistensystems mehr unabhängige Kontrollen. Aus Sicht von Linkspartei und Grünen sollte sich der Staat dieser Aufgabe annehmen. Ärztepräsident Frank Ulrich hat zu einem Spitzengespräch am Donnerstag (9. August) eingeladen, um das Thema zu besprechen.

Nach Angaben der Bundesregierung werden zahlreiche Spenderorgane direkt von den Kliniken in "beschleunigten Vermittlungsverfahren" verteilt. Dieses Verfahren soll eigentlch nur für Organe älterer oder kranker Spender angewendet werden, für die es nur wenige geeignete Empfänger gibt. Es räumt Kliniken jedoch auch die Möglichkeit ein, Herz, Niere oder Leber an den offiziellen Wartelisten vorbei zu vergeben.

Diese Praxis soll nun bei einem Spitzentreffen von Vertretern der Ärztekammer, der Deutschen Stiftung Organtransplantation und zahlreichen anderen Experten kritisch überprüft werden. Für eine Woche später hat die Ärztekammer Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) eingeladen. "Wir wollen das Vier-Augen-Prinzip einführen, bei dem ein unabhängiger Arzt feststellen muss, wie krank der Empfänger wirklich ist, damit die Liste nicht mehr gefälscht werden kann", kündigte Ärztepräsident Montgomery in der "Bild"-Zeitung an.

Politiker und Experten suchen Gespräch

Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums sagte, Bahr suche bei dem Thema das Gespräch mit allen politischen Parteien. Für den 27. August hat der Minister zahlreiche Gesundheitsexperten zudem zu einem Gespräch über die jüngst bekannt gewordenen Vorfälle an den Transplantationszentren in Göttingen und Regensburg eingeladen. Ein Oberarzt, der an den Universitätskliniken beider Städte gearbeitet hat, soll Krankenakten manipuliert haben, um Patienten auf der Warteliste für Spenderorgane ganz vorn zu platzieren.

Experten verlangen unabhängige Kontrolle Verfassungsrechtler und Ethikratsmitglied Wolfram Höfling sieht sich durch die Vorfälle in seiner Kritik an der jetzigen Regelung bestätigt. "Bei der gesetzlichen Regelung der Organspende ist auf eine wirksame Kontrolle weitgehend verzichtet worden", sagte er der "Berliner Zeitung". Ärzte dürften sich nicht selbst kontrollieren. Deshalb sei es unverfroren, wenn nun ausgerechnet die Bundesärztekammer mehr Rechte für sich einfordere, monierte er.

Charité-Direktor Ulrich Frei schlug unterdessen vor, die Entscheidung darüber, wer im Schnellverfahren ein Organ bekommt, solle immer auch von Experten an einem anderen Zentrum überprüft werden. Wenn die Handelnden sich untereinander noch stärker als bisher kontrollierten, dann könne das hilfreich sein, um verloren gegangenes Vertrauen zurück zu gewinnen, sagte Frei der "Berliner Morgenpost".

Staatliche Aufsicht rückt ins Licht 

Oppositionsparteien fordern mehr Staatsaufsicht. Die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, sagte, es gehe nicht um problematische Einzelfälle, sondern das ganze System Organspende in Deutschland kranke. Die Manipulationsmöglichkeiten seien zu groß und die Transparenz zu gering. Sie forderte: "Die Bundesregierung muss sich nun schnellstens ihrer Verantwortung stellen und für mehr staatliche Kontrolle bei der Organspende sorgen."

Linkenvorsitzender Bernd Riexinger sagte den Zeitungen der WAZ-Gruppe: "Erstens müssen wir die Vergabe von Spenderorganen unter staatliche Aufsicht stellen." Dafür müssten die Gesundheitsämter mehr Personal und Kompetenzen bekommen. "Zweitens muss regelmäßig ein Organspendereport veröffentlicht werden, damit sichergestellt wird, dass der Erhalt eines Spenderorgans nicht vom Geldbeutel abhängt", sagte Riexinger weiter. Drittens brauche man härtere Kontrollen für die Organspende und schärfere Strafen bei Missbrauch. (dapd)