Essen. Heike Drechsler ist zweifache Olympiasiegerin im Weitsprung und kann auf eine fast 27-jährige Karriere zurückblicken. Im Gespräch mit der WAZ gibt sie wertvolle Tipps rund um den Laufsport.
Dass Schuhe zum Reisegepäck einer Frau gehören, mag Mann kaum verwundern. Doch bei Heike Drechsler handelt es sich nicht um irgendein Paar Schuhe. „An welchem Ort ich auch bin, meine Turnschuhe habe ich immer dabei.“ Die zweifache Olympiasiegerin im Weitsprung geht regelmäßig joggen. „Nicht nur, weil ich im Sport meine Leidenschaft gefunden habe, sondern weil gerade der Laufsport wahnsinnig gesund ist.“
Regelmäßiges Laufen stärkt das Immunsystem, senkt den Blutdruck, regt den Stoffwechsel und die Verdauung an, mindert den Knochenschwund und unterstützt den Muskelaufbau. So kräftigt die Bewegung beispielsweise die Knochen. Darüber hinaus hat das Joggen einen positiven Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System. „Das Herz- und Lungenvolumen nimmt zu, wodurch mehr und effektiver Sauerstoff aufgenommen werden kann“, sagt Heike Drechsler.
Für die Repräsentantin für Sport, Bewegung, Ernährung und betriebliches Gesundheitsmanagement der BARMER GEK in Baden-Württemberg spielt der Gesundheitsfaktor beim Laufen eine entscheidende Rolle, und dazu gehört vor allem eins: eine Aufwärmphase. Sie soll Knochen und Gelenke auf den Lauf vorbereiten.
Vor dem Lauf das Aufwärmen nicht vergessen
Fünfzehn Minuten führt Heike Drechsler Bauchmuskel- und Stretchübungen, Liegestütze, ein Stabilisierungstraining mit Yogaelementen und ein leichtes Laufprogramm durch. Anschließend geht es auf die Strecke. Immer mit der Vorsicht, den Körper nicht zu überanstrengen.
Die 47-Jährige rät Läufern klein anzufangen und nicht gleich die Bergetappe ins Visier zu nehmen. „Vor solch einer Etappe sollten zunächst Kraft und Ausdauer trainiert werden, denn ein Berglauf fordert erhöhten Knocheneinsatz mit guter Durchblutung.“ Die in Gera geborene Thüringerin absolviert zum Lauftraining ein begleitendes Fitnessprogramm mit abwechslungsreichen Ganzkörperübungen und Krafttraining, das die Muskulatur gegen Widerstand trainiert. „Gerade Einsteigern fallen die ersten Laufschritte leichter, wenn sie ihren Körper auf das Bewegungsniveau vorbereiten.“
Weiterer Vorteil: Wer einen Tag läuft, am nächsten im Fitnessstudio schwitzt und am übernächsten im kühlen Nass seine Bahnen schwimmt, gönnt seinem Körper wichtige Regenerationszeiten. „Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, wenn ich neben dem Laufen einen Tag im Schwimmbad bin, im Stadion mein Schnelligkeitsprogramm absolviere oder mal Tennis spiele. Je mehr der Körper durch Sport gereizt wird, desto mehr Erholung braucht er, und die bekommt er auch dadurch, dass Sportarten gewechselt werden.“
Tempowechsel beim Laufen schaffen Regenerationszeiten
Auch in Sachen Tempo empfiehlt Heike Drechsler Abwechslung. „Wer mal langsam, mal flotter, Berg rauf, Berg runter, über ebenes und unebenes Gelände läuft, der schafft Puffer für Ruhephasen, in denen der Körper durchatmen kann.“ Wer zu schnell joggt, läuft allerdings Gefahr seinen Körper zu übersäuern. „Um in Bewegung zu kommen benötigen Muskeln Sauerstoff und Energie, die sie aus Glukose ziehen.
Wer seinen Körper beim Laufen nicht zu stark belastet, sprich, kurze Strecken auswählt oder langsame Dauerläufe unternimmt, der trainiert im aeroben Atmungsbereich und gewinnt die Energie aus der Zuckerverbrennung mit Hilfe von Sauerstoff“, erklärt Heike Drechsler. Wer einen schnellen Spurt zurücklege oder einen hohen Tempolauf verfolge, der wechsle in einen anaeroben Atmungsbereich. Die Belastung der Muskeln nimmt zu. „Der Körper muss die Kohlenhydrate ohne Sauerstoff in Energie umwandeln. Dabei bildet sich Laktat, ein Salz der Milchsäure, das die Muskeln übersäuert. Gesünder ist es daher, im niedrigen Pulsbereich zu bleiben.“
Bei Muskelkater weiter bewegen
Viele Läufer bauen Seilspringen in ihr Training ein. „Das ist etwas für Fortgeschrittene. Die kleinen Sprünge, das leichte Anfersen, die schnellen Bewegungen in den Armen und Fußgelenken, das führt zur Ermüdung der Muskulatur und steigert das Verletzungsrisiko.“ Wer seinen Muskeln zuviel Kraft abverlangt, spürt vor allem eins – Muskelkater.
„Den kenne ich nur zu gut. Wenn ich längere Zeit etwas nicht gemacht habe, bekomme ich den auch.“ Wer sich dann auf die faule Haut lege, behalte den Kater noch länger. „Am besten ist es, am nächsten Tag wieder in die Bewegung hineinzugehen. Das regt den Kreislauf an, der Körper wird durchblutet und der Kater ausgeschwemmt.“
Laufbandanalyse gibt Tipps zum richtigen Schuhwerk
Jeder Gang macht schlank – an der Redensart ist Wahres dran. Beim Laufen wird der Fettstoffwechsel angeregt. Fettgewebe wird gegen aktive Muskelmasse ausgetauscht. Kalorien purzeln. Wer unter Übergewicht leidet, dem rät Heike Drechsler über Nordic Walking, Aqua Jogging oder Langskilaufen einen Einstieg in den Laufsport zu finden, um die Muskulatur auszubilden. „Wichtig ist, vor dem Lauf erst einmal das Gewicht zu reduzieren. Wer über 100 Kilo wiegt, sollte sich keine langen Strecken zumuten. Das nutzt die Knie- und Fußgelenke zu stark ab.“
Fußschädigungen kann auch das falsche Paar Schuhe hervorrufen. Jeder Mensch hat einen individuellen Bewegungsablauf. Den unter die Lupe zu nehmen, kann zeigen, ob der Läufer mit zu großen Fußstapfen unterwegs ist. „Eine Laufbandanalyse spiegelt die Fußstellung und die Art, wie der Fuß aufgesetzt wird, wider. Aus der Analyse kann geschlossen werden, welches Schuhwerk am Gesündesten ist.“
Sport gab Drechsler Selbstvertrauen
Mit den passenden Turnschuhen kann sich über Stock und Stein, Feld und Wiese aufgemacht werden. Ein Lauf über unebenes Gelände hat einen guten Trainingseffekt auf die Muskulatur. „Fuß-, Knie-, Hüft- und Rückenknochen sind zeitgleich damit beschäftigt, die Unebenheiten während des Laufes auszubalancieren“, sagt Heike Drechsler. Die viermalige Weltmeisterin erzählt von Crossläufen zu Wettkampfzeiten: „Wir sind quer durch die Botanik und tiefen Schlamm gelaufen. Danach sahen wir fürchterlich aus, aber für Knochen und Gelenke ist das gesund.“
Zum Sport kommt die ausgebildete Feinmechanikerin und Erzieherin als junges Mädchen über die Schule. „Ich hatte eine super Lehrerin, die motiviert hat. Da musste ich mich nicht hinschleppen, das hat mir Spaß gemacht.“ Heike Drechsler besucht damals die Kinder- und Jugendsportschule in Bad Blankenburg. Der Sport habe sie in ihrer Entwicklung unterstützt. „Mein Selbstbewusstsein war als Kind nicht sehr ausgeprägt. Beim Halten von Vorträgen hatte ich Probleme, weil ich zu schüchtern war.“ Durch den Sport habe sie an Selbstvertrauen gewonnen, gelernt, mit Niederlagen umzugehen und Ziele hartnäckig zu verfolgen.
Täglich bis zu 30 Minuten Bewegung
Hand aufs Herz: Wie bewegt sollte der Alltag sein? „Perfekt wäre es, wenn sich der Mensch täglich bis zu dreißig Minuten bewegt. Entscheidend ist aber weniger, wie lange sich bewegt wird, als vielmehr die Regelmäßigkeit des Bewegens“, sagt Heike Drechsler. Drei- bis viermal pro Woche treibt sie Sport. „Für mich ist das Laufen Entspannung. Ich erhole mich dabei und werde nach einem stressigen Tag gelassener.“
Vor Problemen kann man nicht davonlaufen, aber das Laufen baut das Stresshormon Adrenalin ab. Wer viel sitzt, wird hingegen müde, die Konzentration lässt nach, die Leistungskurve sinkt. „Bewegung erhöht nicht nur die Ausdauer, sie kann auch Konzentration aufbauen. Wenn der Körper gut funktioniert, funktioniert auch der Kopf gut“, sagt Heike Drechsler.
Doch wann ist die beste Zeit zum Laufen? Aus gesundheitlicher Sicht, gäbe es keinen Maßstab. Als Orientierung könnte aber der eigene Tagesablauf dienen. Als Wettkämpferin hat Heike Drechsler früher morgens um 6 Uhr schon ihre Runden gedreht. „Gott sei Dank war ich nie ein Morgenmuffel.“ Heute läuft sie auch gerne nach ihrer Arbeit im Büro. „Es gibt Tage, da sitze ich lange im Büro. Dann ist es effektiver, nach der Arbeit zu laufen. Danach bin ich wieder fit, für die nächsten Aufgaben, zum Beispiel im Haushalt.“
Feste Trainingstage und Laufen mit Freunden bekämpfen inneren Schweinehund
Einen inneren Schweinehund kennt sie in ihrer aktiven Zeit als Leistungssportlerin nie. „Mein Tagesablauf war auf Sport eingestellt. Außerdem warteten Trainer und Trainingsgruppe auf mich, da kam ich gar nicht auf den Gedanken, nicht zum Training zu erscheinen“, erzählt Heike Drechsler.
Nach Beendigung ihrer fast 27-jährigen Karriere im Hochleistungssport plagt sie das schlechte Gewissen, als sie hin und wieder einen Tag keine Laufschuhe schnürt. Heute kennt sie auch den inneren Schweinehund. „Gerade, wenn ich nach einem vollen Tag nach Hause komme, ist die Verlockung, mich auf die Couch zu legen, groß.“
Laufgruppen bilden
Heike Drechsler riskiert dann gar nicht erst einen Blick zur Couch. Sie legt ihre Bürosachen ab, geht direkten Weges in den Keller und schnürt ihre Turnschuhe. „Sobald ich in den Turnschuhen stecke, denke ich gar nicht mehr ans Faulenzen.“
Weitere Motivationstipps: Feste Trainingstage in den Kalender eintragen oder sich mit Freunden zum Laufen verabreden. Heike Drechsler lacht. Dann verrät sie, dass sie sich an einen Lauf mit der Trainingsgruppe erinnert. „Ich war 14 Jahre alt. Wir waren zu fünft unterwegs und haben viel gequatscht. Einen Moment habe ich nicht aufgepasst und bin in einen offenen Gully gefallen.“ Ehe die Mitläufer etwas merken, klettert sie aus dem Kanalschacht. „Aber ich war von oben bis unten schmutzig. Das war ekelig und das Gelächter groß.“ Die Moral von der Geschichte? „Man sollte beim Laufen nicht nur Schwätzen, sondern auch seine Umgebung wahrnehmen.“