Essen/Olpe. . Ein Brot, das schlank macht – geht das? „Eiweißbrot“ ist der neue Diättrend, der die Bäckereien bundesweit erobert hat. Es enthält möglichst wenig von dem, was in Brot eigentlich steckt: Kohlenhydrate. Sogar Bäcker sehen kritisch, ob das tatsächlich der Schlankheit dienen kann.
Die einen bewerben es mit dem anspielungsreichen Satz „Abnehmer gesucht“, andere verweisen auf eine „Schlank-im-Schlaf“-Diät oder setzen es als „Abendbrot“ in Szene: „Eiweißbrot“. Die neue Brotsorte hat in diesem Frühjahr die Bäckereien bundesweit erobert. „Leicht“ sei es, „bekömmlich“ und dafür gedacht, gerade Abends verzehrt zu werden, was „das Wohlbefinden“ steigere und einen gesunden Lebenswandel mit Obst und Bewegung gut unterstütze, heißt es hinter den Verkaufstresen.
Die hiesige Brotkultur wird zu Recht ob ihrer Vielfalt gerühmt. 2583 Brot- und Brötchensorten vermerkt das „Deutsche Brotregister“, verkündet der Zentralverband des Bäckerhandwerks stolz. Die Zahl wächst stetig – wie das Eiweißbrot beweist.
Ist Eiweiß-Brot überhaupt "Brot"?
„Es ist außergewöhnlich, dass es so viele Bäcker anbieten“, findet selbst Thomas Wichert, Produktionsleiter der Duisburger Bäckerei Bolten, mit 40 Filialen nach eigenen Angaben noch ein handwerklich geprägtes Backunternehmen. Irgendwann Ende vergangenen Jahres habe man das Eiweißbrot in den Verkauf gebracht, „weil uns immer mehr Kunden danach gefragt haben“. Und Mitbewerber im Backgewerbe ähnliche Produkte anboten. So sprang man auch bei Bolten auf den „Low Carb“- und "Schlank-im-Schlaf"-Trend, der den Verzicht auf Kohlenhydrate propagiert. „Wir sind zufrieden mit der Nachfrage“, sagt Wichert.
Ist Eiweißbrot überhaupt „Brot“? Das schon, meint Ulrich Jortzik, von der Bäckerfachschule Olpe. Aber er gesteht ein, dass sich die Zusammensetzung „für Bäcker komisch anfühlt“. Der Teig basiert zu 68 Prozent auf nur einem Bestandteil des Weizenkorns, dem Gluten (Eiweiß). „Fluffig und gummiartig“ sei das Brot deshalb, beschreibt der Bäckerausbilder, weil das Gluten backtechnisch gesprochen „luftballonartige Eigenschaften“ habe. Dagegen würde nur wenig Weizenvollkorn-, Roggen- auch Sojamehl verwendet und verschiedene Ölsaatkörner. Das führe dazu, dass Eiweißbrot nur ein Siebtel der Kohlenhydrate enthalte wie ein normales Mischbrot.
Aber kann man sich damit tatsächlich ‚schlank’ essen?
Eiweißbrot – warum weniger Kohlenhydrate nicht weniger Kalorien bedeuten
Ulrich Jortzik will da nichts beschönigen: „Ich habe auch Kritik an diesem Eiweißbrot“, sagt der Back- und Lebensmitteltechniker, der das Bäckerhandwerk bis zum Meister gelernt hat: Schlank mache das Brot nicht, jedenfalls nicht von alleine. Weil die Biologie den Spielraum der Rezeptentwickler ziemlich einschränkt. Es gibt nur drei Nährstoffe, die dem Körper die Energie liefern: Eiweiß, Kohlenhydrate und Fett. „Was ich beim Backen an der einen Stelle wegnehme, muss ich an der anderen hinzufügen“, sagt Jortzik. Ergebnis: Eiweißbrot hat fast zehnmal soviel Fett wie ein vergleichbares normales Mischbrot. Die Akademie Weinheim, eine Einrichtung des Deutschen Bäckerhandwerks, hat dazu ein (Profi-)Rezept veröffentlicht:
Eiweißbrot-Rezept für Profis
Marianne Rudischer, Ernährungsberaterin bei der Krankenkasse Barmer GEK, hält Lebensmittel wie das Eiweißbrot denn auch für „überflüssig“. Den Bäckern, sagt sie, „kann man keinen Vorwurf machen“. Eiweißbrot sei nicht schädlich, mag schmecken und einem ein gutes Gefühl geben, „aber der Körper braucht es nicht“, meint Rudischer. Und dieses Low-Carb-Programm, macht das denn Sinn?
Lieber auf Snacks verzichten, statt das Brot auszutauschen
Auch da ist Rudischer reserviert: „Einen Nährstoff als ‚bösen Buben’ zu outen, ist nicht sinnvoll. Entscheidend ist die Tagesbilanz bei der Ernährung“. Der Schokoriegel oder das Teilchen zwischendurch, das fix erhitzte Fertiggericht zum Mittag, die Cola, die Limo zum Essen oder die Chips und das Bierchen am Abend: Wer da verzichtet und sich gesünder ernährt, erreiche in punkto Pfunde abbauen mehr, „anstatt nur das Brot auszutauschen“, urteilt Marianne Rudischer. Zumal Eiweißbrot etwas teurer ist, als anderes Körner- oder Vollkornbrot. Für knapp drei Euro wird es in Bäckereien pro Pfund angeboten.
Unterstützt wird sie von Isabelle Keller, Expertin von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Auch Keller findet am Eiweißbrot nichts Ungesundes und hebt hervor, dass das Brot „sehr viele Ballaststoffe enthält“, was wichtig sei etwa für eine gute Verdauung. Doch in der Nährwertbilanz habe so manches Eiweißbrot sogar mehr Kalorien als ein herkömmliches Mischbrot. Mit der Konsequenz, „dass der Körper mehr Energie verbrennen muss.“ Und da heiße ein Rezept zum Pfunde verlieren eher „Bewegung“, rät Keller.
Dabei könnte Eiweißbrot vielleicht einen Ansporn bieten: Wie wär’s mit einem Walking-Programm von Bäckerei zu Bäckerei? Auf der Suche nach einem Bäcker, der noch kein Eiweißbrot im Sortiment hat. Man wird sich anstrengen müssen…