Freiburg. Beim europaweiten Vergleich im Bereich Arbeitschutz bei psychischer Belastung schneidet Deutschland am schlechtesten ab. Dabei verursacht das sogenannte “Burnout-Syndrom“ erhebliche Einbußen - sowohl bei der Arbeit als auch im alltäglichen Leben.

Arbeitgeber sollten Burnout-Erscheinungen ihrer Mitarbeiter nach Einschätzung des Freiburger Psychiatrie-Professors Mathias Berger viel ernster nehmen. In Deutschland gebe es auf diesem Gebiet europaweit den geringsten Arbeitsschutz, kritisiert Berger. In Frankreich, Skandinavien oder den Benelux-Staaten sei man auf diesem Gebiet viel weiter.

"Wenn es irgendwo stinkt, wenn es zu laut ist, wenn die Sitzmöbel nicht passen oder das Licht zu hell ist, ist in Deutschland am nächsten Tag jemand vom Arbeitsschutz da", sagte Berger. "Wenn aber ein Arbeitnehmer gänzlich und komplett überlastet ist und Dinge tun muss, die einfach zu viel für ihn sind, dann muss sich niemand darum kümmern. Ich finde, das Gehirn muss dem Skelett-, dem Riechsystem und den Ohren gleichgestellt werden."

Als Asbest-Belastungen festgestellt wurden, seien schließlich auch nicht 30 neue Lungenkliniken gebaut worden. Man habe sich aber dafür entschieden, das Asbest aus den Gebäuden zu entfernen, betonte der Professor. "Wenn das Gesundheitssystem alles das übernehmen soll, was eine den Einzelnen überfordernde Gesellschaft dem Individuum antut, dann wird es absurd."

Nur in Deutschland gilt Burnout als Krankheit

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Die Medizin sei für Krankheiten zuständig, sagte Berger. Burnout sei aber keine Krankheit, sondern eine Befindensstörung, die eine Aufgabenüberlastung als Ursache habe. "Deutschland ist das einzige Land in der Welt, wo eine Befindensstörung, ein Risikozustand, mit einer Krankheit gleichgesetzt wird."

Davon profitierten Privatkliniken und Coaches, die vorgäben, "mit Anleitungen für eine bisschen bessere Lebensführung, gesundem Essen, Sport und Zen-Buddhismus" helfen zu können. "Wir müssen davor warnen, dass die Arbeitswelt so organisiert ist, dass viele Leute den Eindruck haben, dass sie dem nicht mehr gewachsen sind", sagte der Experte.

Die Technologieentwicklung der computerisierten Welt, Multi-Tasking, Verdichtung von Arbeit und Globalisierung seien eine sehr große Herausforderung, über die viele klagten. In unserer Leistungsgesellschaft werde der Einzelne dazu angehalten, das Letzte aus sich herauszuholen.

Dabei komme für die Wirtschaft viel mehr heraus als durch äußeren Zwang, sagte Berger. Aber die Schattenseiten dieses Systems würden nicht deutlich: "Meinen Chef könnte ich ja noch anschreien. Aber viele fallen ihrem inneren Ausbeuter zum Opfer und können nur noch durch große Erschöpfung zur Ruhe kommen." (dapd)