Essen. . Du schaffst das schon – oder auch nicht: Immer mehr Menschen leiden unter Burn-outs. DerWesten hat Experten gefragt, wie man selbst erkennen kann, ob man ausgebrannt ist und was man dagegen tun kann.

Wer seine Arbeit schnell und gut erledigt, wird selten mit mehr Freizeit belohnt. Eher legt der Chef weitere Aufgaben oben drauf. Eine Weile geht das gut, doch irgendwann erreicht jeder den Punkt, an dem die Last zu viel wird. Arbeit bleibt unerledigt, Ergebnisse sind nicht so gut wie gewohnt, und Stress und Frust lassen einen selbst zuhause nicht mehr los. Willkommen im Burn-out.

Zwölf Prozent aller Krankheitstage entfielen laut DAK im letzten Jahr auf psychische Erkrankungen, berichtet Wolfgang Senf, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie und Arzt an der Uniklinik Essen. „Damit hat sich die Problematik in den letzten fünf Jahren verdoppelt“, schätzt Senf.

Eine Untersuchung der Universität Duisburg-Essen unter 331 IT-Spezialisten kam zu dem Ergebnis, dass nur 29 Prozent nach der Arbeit problemlos abschalten können. Lediglich 37 Prozent meinen, sie könnten ihre Arbeit auf Dauer durchhalten. Ein Drittel aller Frühverrentungen geht auf psychosomatische Belastungen zurück – noch mehr, berücksichtigt man Rückenschmerzen, die oft psychosomatische Ursachen haben.

„Stress macht nicht krank“

Ab wann führt Stress zu Ausgebranntheit? „Stress macht nicht krank“, sagt Senf. Um die tatsächlichen Ursachen des Burn-out-Syndroms zu erklären, greift der Mediziner gern zu einem Vergleich: „Stellen Sie sich vor, Sie sind Weltmeister im Hochsprung, und jemand legt die Latte immer etwas höher, ohne dass Sie das so richtig merken oder beeinflussen können. Und Sie sagen sich dann: Das schaffst du schon, hast du doch immer geschafft!“ Nur dass irgendwann der Punkt komme, an dem die Belastung nicht mehr zu schaffen sei, und viele Menschen irrtümlicherweise glaubten, sie würden an dieser Stelle versagen. Selbst im Feierabend verfolgt die Betroffenen das Gefühl, nicht hinreichend erfolgreich gewesen zu sein. So fehlt die wichtige Erholungsphase.

Empfindlicher,
reizbarer

„Je geringer die Kontrolle über die Arbeit ist, desto höher ist das Risiko“, ergänzt Peter Henningsen, Psychosomatiker am Münchener Klinikum rechts der Isar. Schützend wirke hingegen die Belohnung, speziell die Wertschätzung der geleisteten Arbeit. Henningsen berichtet zudem von häufigen Problemen beim Besuch des Hausarztes: „Die Diagnose ‘Freuen Sie sich, Sie haben nichts’ ist hoch frustrierend für einen Patienten, der weiß, dass er Schmerzen hat.“ Im Gespräch mit einem Therapeuten stelle sich dann beispielsweise heraus, dass der Magenschmerz in Wahrheit Ärger ist.

Wolfgang Senf möchte Betroffene ermutigen, einen Psychosomatiker oder –therapeuten aufzusuchen. „Es handelt sich nicht um eine psychiatrische Krankheit sondern eher um eine psychische Verwundung“, findet Senf. Schon zwei oder drei Sitzungen könnten die Heilung einleiten. Eine Auszeit stärke die selbstregulativen Kräfte.

Arbeitsbedingungen müssen sich ändern

Der Arzt hat auch Tipps, wie jeder selbst erkennen kann, ob er vom Burn-out betroffen ist: „Gefährlich wird es, wenn man beginnt, die objektive Belastung zu verleugnen und sein Verhalten ändert.“ Betroffene könnten sich häufig über nichts mehr freuen und seien empfindlicher, reizbarer. „Viele merken das, aber suchen keine Hilfe, aus Scham oder aus Angst, als Weichei zu gelten“, sagt Senf. Wenn Prominente wie Mathias Platzeck damit an die Öffentlichkeit treten, finde er das „total mutig“.

Aufmerksamkeit für das Problem ist fast das Wichtigste. Denn es ist nur ein Teil der Lösung, die immer höher gelegte Hürde als Ursache des Burn-outs zu erkennen. Erst wenn die Führungskräfte die Arbeitsbedingungen ändern, lässt sich ein Burn-out sicher vermeiden. „Das erkennen immer mehr Unternehmen“, sagt Senf – seit psychosomatische Erkrankungen durch ihre Häufigkeit zu einer ökonomischen Belastung geworden sind.