Frankfurt/Main. Um Energie zu sparen, werden Häuser immer effektiver gedämmt. Doch Experten warnen: Eine Falsche Wärmedämmung kann die Gesundheit erheblich belasten. Neben allergischen Reaktionen, ausgelöst durch chemische Substanzen im Baumaterial, kann sich durch eine dichtere Dämmung vermehrt Schimmel bilden.

Stefan Schmidt hat eine Vision: Ein Leben in natürlichen Rohstoffen wie Holz, Papier, Lehm, Kalk - ein gesundes Leben in gesunden Räumen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die Wirklichkeit aber sehe anders aus, sagt der Bauberater und Experte für umweltfreundliches Bauen: "Wir packen uns in eine Plastiktüte ein." Die modernen Baustoffe, dazu der - wie er es nennt - "Dämmwahn": Das Thema Klimaschutz und gesundes Bauen werde grundsätzlich falsch angegangen.

Das Thema Bauökologie sei enorm wichtig, werde aber noch immer unterschätzt, sagt Susanne Theisen-Canibol, Organisatorin der KelsterbachTalks über Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung. Auch bei dieser Gesprächsrunde wurde die Frage gestellt: "Was sind uns gesunde Büros und Wohnungen wert?"

Auslöser seien die Energiesparoffensive der Bundesregierung mit ihren Vorschriften zum Dämmen für Häuser gewesen, sagt Theisen-Canibol. Die Wärmedämmung habe nämlich Auswirkungen auf das Raumklima - und zwar nicht immer nur positive. Jeder Zweite bis Dritte reagiere mittlerweile sensibel oder sogar allergisch auf Stoffe in den Innenräumen von Häusern, betont Bauberater Schmidt.

Mehr Chemie in den Baustoffen

Nicht selten komme es sogar zum sogenannten "Sick Building Syndrom": Dabei reagieren Menschen allergisch auf ihre Wohn- oder Arbeitsräume. Sind sie an der frischen Luft, verfliegen die Symptome sofort wieder. Grund für die Reaktionen seien auch die veränderten Lebensgewohnheiten, sagt Schmidt: Der moderne Mensch halte sich zu 90 Prozent in Innenräumen auf, das seien immerhin 21 bis 22 Stunden pro Tag.

Gleichzeitig hätten sich aber die chemischen Substanzen in den Baustoffen erheblich vermehrt: "Laminat, Vinyltapeten, Kunststoffholzdecken, versiegelte Möbel", zählt der Bauexperte auf: "Wir haben heute viel mehr Kunststoffe um uns herum." Die Wirkung sei vergleichbar der Atmosphäre in einer Plastiktüte - die Räume seien zu dicht, die natürliche Feuchtigkeit könne nirgends mehr hin.

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Die Wirkung dieses "Sammelsuriums" verschiedener Kunststoffe werde nicht bedacht, sagt Schmidt weiter. Grenzwerte berücksichtigten weder Allergiker, noch Abrieb, Feuchtigkeit oder Temperaturwechsel. Dazu komme durch die neuen Energiesparprogramme von Bund und Länder eine wahre Dämmwelle. Reihenweise werde vor allem das billige Polystyrol in enormer Dicke "gegen die Wände geklatscht", sagt Schmidt. Die Styroporplatten könnten aber regelrecht gefährlich werden, wenn sie in Brand gerieten. "Es entstehen giftige Dämpfe, die Leute verbrennen nicht mehr, sie ersticken", sagt Schmidt.

Mieter klagen verstärkt über Schimmel und Feuchtigkeit

Dazu verbrauche ein Kilo Styropor fünf Kilo Rohöl bei der Herstellung, das Problem der Entsorgung sei völlig ungelöst. Zudem könne bei zu dicht durch Styropor abgeschlossenen Häusern Schimmel entstehen, warnt der Frankfurter Umweltgutachter Helge Beck. Umgekehrt könnten die Häuser so dicht sein, dass man entweder die Hitze nicht mehr herausbekomme - oder sogar im Sommer heizen müsse, um ein angenehmes Raumklima zu erreichen.

"Wir haben sehr viele Mieter mit Problemen, in der Regel Feuchtigkeit und Schimmelbefall", sagt auch Rolf Janssen vom Mieterbund in Frankfurt. Meist bekomme der Mieter dann vom Vermieter gesagt, er habe nicht richtig geheizt und gelüftet. Damit solle man sich aber nicht abspeisen lassen, rät Janssen: Die Beweislast treffe zunächst den Vermieter, der müsse nachweisen, dass es keine Baumängel gebe.

Bauexperte Schmidt hätte noch einen anderen Rat: zum Dämmen einfach natürliche Alternativstoffe verwenden wie Holzfasern, Hanf oder Flachs. Lehm und Kalk pufferten Feuchtigkeit und seien frei von Schadstoffen. "Lehm, Kalk, Papiertapeten, da kommen wir wieder hin, das ist meine Vision", sagt der Berater für umweltfreundliches Bauen. (dapd)