Essen. . Die Lebensmittelindustrie wirbt immer mehr gezielt mit Produkten für Kleinkinder. Doch die Werbung führt oft in die Irre

Eltern kennen das Problem: Vor dem Supermarkt-Kühlregal oder dem Süßigkeitenstand wollen die Kinder unbedingt ein bestimmtes Joghurt oder Bonbon haben. „Aber das ist so gesund“, quengeln die Kleinen. Ihr vermeintliches Wissen, dass etwa die Süßigkeit viel Vitamin C beinhalten soll, beziehen die Kinder aus der Werbung.

Das ist nicht zufällig so, denn Werbeindustrie und Lebensmittelunternehmen hätten kleine Kinder bis zu drei Jahren als Zielgruppe fest im Visier, berichtet der „Spiegel“. Belegt werde dies durch eine Studie, die der Bundesverband der Verbraucherzentralen diese Woche vorstellen wolle, Insbesondere seien es Hersteller klassischer Babynahrungsmarken wie Alete, Hipp und Milupa, die spezielle Produktlinien für „Kleine Entdecker“ oder „Minis“ auf den Markt gebracht hätten.

Dies sei aus Sicht der Konzerne logisch, da die Zielgruppe rund zwei Millionen kleine Kunden umfasse. Und: Nachdem niedrige Geburtenraten zu Umsatzeinbußen im Bereich der Babynahrung geführt hätten, sorgten nun hohe Wachstumszahlen zum Beispiel bei Kindermilch für die Trendwende, soll es in der Studie heißen. So habe die Danone-Tochter Milupa 2011 den Umsatz mit Kleinkindprodukten laut „Spiegel“ um satte 14 Prozent gesteigert. Auch der „Paula“-Pudding, nach Angaben des Herstellers Dr. Oetker der „erste Pudding speziell für Kinder“, bringe dem Konzern seit Jahren zweistellige Wachstumsraten.

Doch die Werbe-Botschaften der angeblich so kindgerechten Lebensmittel seien irreführend, heißt es. Vor allem zeichneten sich die Produkte in erster Linie nicht durch viele Vitamine oder wichtige Nährstoffe aus, sondern durch besonders viel Zucker und Fett. Da wird schnell aus der vermeintlichen Kalziumbombe eine Kalorienbombe. Über den Zucker- oder Fettgehalt sagt die Werbung aber nichts.

Sehr viel Zucker und Fett

So besteht etwa der „Paula“-Pudding nach Angaben der Verbraucherzentrale Hamburg zu neun Prozent aus Zucker und zu etwa vier Prozent aus Fett. Das macht bei einem handelsüblichen 125-Gramm-Becher über elf Gramm Zucker und fünf Gramm Fett.

Laut Renate Ruppel, Ernährungsberaterin aus Recklinghausen, sollten Kinder im Alter von drei Jahren aber nicht mehr als 30 Gramm Zucker und fünf Gramm Fett am Tag zu sich nehmen. Sprich: Allein ein Becher Paula deckt die erlaubte Fettmenge ab. Nach drei Bechern ist die Höchstmenge an Zucker überschritten. So etwas realisieren Eltern vielfach aber nicht. „Wenn Kinder jedoch ständig zu viel Zucker und Fett zu sich nehmen, führt das zu Übergewicht oder Erkrankungen wie Diabetes“, sagte Renate Ruppel, die unter anderem auf Kinderernährung spezialisiert ist. Für sie sind die Werbeslogans oft eine Täuschung.

Auch hätten zugesetze Vitamine nicht den gleichen Effekt wie Vitamine in Obst oder Gemüse. So wirke Vitamin C vor allem im Zusammenwirken mit Pflanzenstoffen. Der Verzehr von Früchten sei immer besser, zumal dabei auch Ballast- oder Mineralstoffe aufgenommen würden, die etwa in Bonbons fehlten. Das sieht die Deutsche Gesellschaft für Ernährung genauso. Sie urteilt: „Kinderlebensmittel sind schlicht überflüssig.“