Berlin. . Ein ausgesprochen eigenwilliges „Weihnachtsgeschenk“ hat Zigarettenhersteller Reemtsma manchem Politiker ins Haus geschickt: eine Weihnachtskarte mit einem Weihnachtsmann inklusive dem darauf pappenden Hinweis: Schokolade fördert Karies.

Bundestagsabgeordnete, die dieser Tage nach ihrer Winterpause den Stapel an Weihnachtskarten durchblättern, sehen sich mitunter mit einem Weihnachtsmann der besonderen Art konfrontiert. Auf seiner Abbildung prangt die Warnung „Schokolade fördert Karies“, ähnlich dem Aufdruck auf Zigarettenpackungen, auf denen es „Rauchen lässt Ihre Haut altern“ oder auch „Rauchen kann tödlich sein“ heißt.

Dazu passt: Der Absender der Karte war Reemtsma, der Zigarettenhersteller. Reemtsma stößt mit seinem besonderen Gruß auf Unmut. Lothar Binding, SPD-Abgeordneter aus Heidelberg, empört sich in einem offenen Brief an den Tabakkonzern: Die Weihnachtskarte sei eine „hinterhältige Marketingstrategie“.

Für das Gleichsetzen der Gefahrenquellen Schokolade und Zigaretten sei aus seiner Sicht ein „gehöriges Maß an Skrupellosigkeit“ nötig. Reemtsma setzt mit der umstrittenen Weihnachtskarte seine Strategie fort, Zigaretten nicht anzuprangern, sondern ihren Konsum als Ausdruck des freien Willens zu deuten. Den Verstand der Menschen dürfe man nicht beschneiden.

„Es geht um Entscheidungsfreiheit“

So hieß es neben dem gebrandmarkten Weihnachtsmann: „Uns allen wünschen wir eine Zukunft, in der wir auch ohne Bevormundung durch die EU selbst bestimmen, was wir genießen wollen und was nicht - egal, ob es nun um Schokolade geht, um Cigaretten oder um unsere Entscheidungsfreiheit“.

Eine Einschätzung, mit der Binding nichts anfangen kann. Er zitiert in seinem Schreiben daher die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung. Derzufolge sei das Risiko, an Krebs zu erkranken, bei starken Rauchern viermal so hoch ist wie bei Nichtrauchern. Von „Entscheidungsfreiheit“ könne beim Tabakkonsum angesichts der Sucht vieler Konsumenten „keine Rede“ sein.

Karte zielt auf aktuelle Pläne der EU

Einer der Unterzeichner der Weihnachtspost ist Sebastian Blohm. Er leitet bei Reemtsma die Abteilung „Kommunikation und Politik“, ist also der Cheflobbyist des Konzerns in Deutschland. Blohm kann der Aufregung nichts abgewinnen und sagt der dapd: „Wir wollen eine Grundsatzfrage stellen. In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“ Die Weihnachtspost ziele dabei auf aktuelle Pläne der EU ab.

Werbung einschränken

Die EU-Kommission überlegt, Zigarettenwerbung weiter einzuschränken. Künftig sollen die Schachteln nicht mehr bunt daherkommen dürfen: Sie müssten in Läden und Kiosken künftig neutral in Schwarz-Weiß gehalten werden, um Kunden nicht zu locken. Auch das will die Industrie mit Lobby-Vorstößen wie diesen verhindern. Bei Lothar Binding hatte sie keinen Erfolg. Er schreibt: „Sie wollen Ihr Produkt verharmlosen und die Betroffenen auf eine schier aberwitzige Art und Weise verhöhnen.“ (dapd)