Essen. Unsere Serie „Gesund von A bis Z“ gibt in loser Folge in 26 Artikeln quer durch das Alphabet Tipps zur Gesundheit. Heute: Woher die Unruhe wirklich kommt und warum sie zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen führen kann.
Die Hände zittern. Das Herz rast. Einige schaukeln mit dem Stuhl. Andere beißen sich auf die Lippen. Gesichter von Unruhe. Doch wo kommt die Nervosität her? Was wirkt gegen Unruhe und ist sie immer schlecht?
„Unruhe muss nicht schlecht sein“, sagt Dr. med. Ulrich Meincke, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie am Klinikum Niederberg. Beispiel: Zwei Tennisspieler liefern sich ein Match. Einer schlägt auf. „Keiner, der einen Return spielen möchte, steht still an der Linie. Im Gegenteil: Der Gegenspieler bewegt seinen Oberkörper von links nach rechts. Er hält die Muskeln in Bewegung, um schneller auf den Ballflug zu reagieren.“ Ein Ausdruck der motorischen Unruhe, die der Mensch von Natur aus besitzt. Sie beinhaltet etwas Angstbesetztes, das in Gefahrensituationen automatisch die muskuläre Reaktionsbereitschaft erhöht.
Doch mit den heutigen steigenden Anforderungen im Alltag bleibt es häufig nicht bei der motorischen Unruhe. Eine quälende innere Unruhe tritt bei immer mehr Menschen hinzu. Auf- und Ablaufen, kauen auf den Fingernägeln, spielen mit dem Bleistift - all das sind bekannte Spiegelbilder von Unruhe. Sie kann sich aber auch innerlich äußern, zum Beispiel durch Hemmungen bei Depressionen. Darüber hinaus sind Appetitverlust, Kopf-, Rücken- oder Magenschmerzen mögliche Anzeichen einer inneren Unruhe. Nicht zuletzt kann sie den Schlaf rauben. Die schnelllebige Zeit führt vielfach dazu, dass der Mensch ständig gehetzt ist und kaum abschalten kann. Er ist schneller gereizt, sein Körper gespannt wie ein Flitzebogen. Die Folge: Der Mensch fühlt sich ausgelaugt und erschöpft. „Genau das ist die Unruhe, die nicht mehr gesund ist“, sagt Dr. Meincke. Hält die innere Unruhe an, kann sie in psychische Erkrankungen übergehen wie Depressionen und Angststörungen.
Woher kommt die Unruhe?
„Unruhe lässt sich nur beheben, wenn ihr Auslöser bekannt ist. Wichtig ist es daher sich zu fragen: Wo kommt die Unruhe her?“, sagt Dr. Meincke. Zu ihren Ursachen zählen unter anderem Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes oder eine Schilddrüsenüberfunktion, auf die eine Blutuntersuchung Hinweis geben könnte. Eine der häufigsten Ursachen für innere Unruhe ist jedoch Stress. Er kann anregen, den Körper in Schwung bringen, die Leistung steigern. Er kann aber auch belasten, überfordern, das Immunsystem schwächen und die körpereigene Abwehr damit durchlässiger für Krankheitserreger machen. Wichtig ist es, die Stressoren zu identifizieren. „Der Betroffene sollte sich fragen: Wann gerate ich in Stress? In familiären Situationen? Bei der Arbeit? Oder existieren persönliche Stressverstärker? Es gibt Menschen, die sehr perfektionistisch sind, hohe Anforderungen an sich selbst und andere stellen, die als Muster haben: Ich muss alles selbst erledigen, es allen Recht machen.“
Viele Menschen greifen bei Stress zu Kaffee. Völlig falsch, sagt Dr. Meincke. „Kaffee fährt das sympathische Nervensystem hoch.“ Als Teil des vegetativen Nervensystems sorgt es dafür, dass der Körper auf Anforderungen wie Stress reagieren kann. Der Blutdruck steigt, die Herzschläge werden schneller, der Energieabbau erhöht sich. „Kaffee beruhigt nicht, Kaffee putscht zusätzlich auf, ähnlich wie Cola, bei der der Zucker den Insulinspiegel erhöht und einen Adrenalinausstoß hervorruft. Beides sind Wachmacher.“
Vorsicht bei der Einnahme von Johanniskraut
Führt der Stress zu einer inneren Unruhe, die für Schlaflosigkeit sorgt, sinkt infolge dessen tagsüber die Konzentration, die Leistungsfähigkeit nimmt ab, die Arbeit dauert länger. „Es entsteht eine aufwühlende Stresssituation, die den Betroffenen wieder schlecht schlafen lässt. Ein Teufelskreis.“ Sport kann Stress mildern. Doch Vorsicht: „Körperliche Aktivität direkt vor dem Schlafengehen ist hingegen ungünstig, da es den Körper aufwühlt, anstatt ihn langsam herunterzufahren. Hilfreicher ist entspannendes autogenes Training.“
Wenn das Sandmännchen versagt, schwören manch unruhige Gemüter auch auf die beruhigende Wirkung von Baldrian, Lavendel oder Johanniskraut. „Es ist sicherlich etwas dran, dass Heilpflanzen beruhigen können, aber Johanniskraut hat beispielsweise eine Reihe von Wechselwirkungen mit internistischen Medikamenten. Besonders bei Herz-Kreislauferkrankungen sollte aufgepasst werden. Viele Menschen denken, dass alle Heilpflanzen aus der Natur prima sind, aber Johanniskraut ist nicht zu verachten und sollte bei Schlafstörungen ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt besser nicht eingenommen werden.“ Stattdessen könnte man bei innerer Unruhe zunächst auf Hilfsmittel zurückgreifen, die sich bereits zu Großmutters Zeiten bewährt haben: eine Tasse Melissentee oder ein Glas warme Milch.