Essen/Dortmund. Plötzlicher Durchfall gepaart mit Erbrechen – einige Hundert Menschen in NRW sind in den vergangenen Wochen bereits vom Norovirus heimgesucht worden. Der hoch ansteckende Darmerreger breitet sich in diesem Winter früher aus als in vorangegangenen Jahren. Die Statistik allerdings weist diesmal weniger Fälle auf - gewollt.
Für das Dortmunder Gesundheitsamt war es keine Frage: Bis diesen Donnerstag bleibt die Grundschule Kleine Kielstraße im Stadtteil Nordstadt noch geschlossen. Grund ist, sehr wahrscheinlich, ein Ausbruch des Norovirus. Bei109 Kindern der gut 400 Schüler hatte der hochansteckende Darmerreger über das Wochenende schwallartiges Erbrechen gepaart mit schwerem Durchfall ausgelöst. Manche hatten sich am Montag sogar in Klasse oder Schul-Flur übergeben, berichtet Annette Düsterhaus, Leiterin des Dortmunder Gesundheitsamtes.
Mit der kalten Jahreszeit bricht jetzt besonders in Schulen, Kindertagesstätten, Altenheimen oder Krankenhäusern eine ‚heiße’ Phase des Jahres an: Die Zeit der Krankheitserreger. Dabei schlägt das Norovirus in diesem Jahr in NRW auffallend früh zu: „Wir registrieren aktuell bereits 40 bis 50 Prozent mehr Fälle als im Vorjahresvergleich“, sagt eine Sprecherin im Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit in Münster.
Norovirus gilt als "Erreger mit hoher Priorität"
Laut den jüngsten Zahlen wurden bis zur zweiten Novemberwoche in NRW insgesamt 18.331 Fälle seit Januar gemeldet. Im gleichen Zeitraum vor einem Jahr standen bereits über 25.650 Norovirus-Fälle in der Statistik. Jedoch bedeutet das nicht, dass nun weniger Menschen erkankten. Gezählt werden seit Anfang 2011 nur noch „laborbestätigte Fälle“. Die Folge: „Etwa ein Viertel der Ausbrüche“ – möglicherweise aber auch bis zu 50 Prozent, „die nach den alten Regeln gezählt worden wären, bleibt nun unberücksichtigt“, heißt es beim Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. Damit dürften pro Jahr und Norovirus-Saison rund 100.000 Fälle bundesweit weniger in der Statistik vorkommen, schätzt man im RKI.
Gleichzeit aber wächst die Gefährdung durch das Norovirus, weshalb es vom RKI seit Jüngstem zur Gruppe der „Erreger mit hoher Priorität“ gezählt wird – zusammen etwa mit FSME (durch Zecken übertragene Hirnhautentzündung) oder dem Ebola-Virus.
Norovirus breitet sich immer stärker aus
„Wir sind sehr erstaunt, wie häufig der Norovirus-Erreger mittlerweile in Deutschland auftritt“, sagt Professor Martin Exner, Direktor des Institutes für Hygiene an der Universität Bonn.
Das Norovirus ist weltweit verbreitet und zählt zu den „typischen Winterkrankheiten“, erklärt Exner. Nach Erkenntnissen der Forschung verändert sich das Virus etwa alle zwei Jahre, was auch dazu führt, dass Menschen dagegen nicht immun werden, wenn sie befallen worden sind.
Ebenfalls eine neue und in der Medizin mit Bangen beobachtet Entwicklung: „Mittlerweile scheinen auch bestimmte Tiere davon befallen zu sein“, sagt Prof. Martin Exner. Bei Schweinen etwa sei das Norovirus schon im Kot entdeckt worden.
Keine Therapie gegen das Norovirus
Übertragen wird der Erreger überwiegend per Hand. Am höchsten ist das Ansteckungsrisiko beim Norovirus durch Kontakt mit belastetem Kot oder Erbrochenem. „Es reicht schon die Berührung von geringsten Partikeln und man ist infiziert“, sagt Prof. Exner. Bis zum Ausbruch von Brechreiz und Durchfall vergehen mitunter nur sechs Stunden. Nach zwei bis drei Tagen aber ist eine Erkrankung in der Regel überstanden. Den Erreger allerdings „kann man noch mehrere Wochen verbreiten“, erklärt eine Sprecherin im Landesinstitut für Gesundheit NRW (Liga). Tödlich endet eine Infektion jedoch in den allerwenigsten Fällen.
„Wir haben beim Norovirus bis dato keine Therapiemöglichkeiten“, sagt Prof. Martin Exner. Wen es erwischt, „dem bleibt nur, es durchzustehen“. Vor allem bei Säuglingen, Kleinkindern oder alten Menschen kann aber der Flüssigkeitsverlust so groß sein, dass sie im Krankenhaus an den Tropf müssen, damit der Körper nicht dehydriert.
Ganz wichtig: Hände waschen
Schutz vor dem Norovirus bietet nur „konsequente Händehygiene“, mahnt Prof. Exner – vor allem vor Mahlzeiten. Wer nach dem Toilettenbesuch erst den Klodeckel schließt und dann die Wasserspülung in Gang setzt, minimiert das Risiko, sich anzustecken gewaltig: „Ohne geschlossenen Deckel werden die Erreger in den ganzen Raum gewirbelt“. In Schulen allerdings sind Klodeckel kaum noch vorhanden, räumt Exner ein.
Noroviren halten sich auf Oberflächen relativ gut, besonders bei Temperaturen unter zehn Grad Celsius. Sie zu entfernen ist sehr mühsam und gelingt nur mit „viruziden Desinfektionsmitteln“, wie sie etwa das RKI auflistet. Mit Blick auf Krankenhäuser oder Pflegeheime empfielt das RKI zudem, Bereiche wie Türgriffe oder Handläufe mindestens einmal täglich abzuwischen. Laut Prof. Martin Exner sollte man sogar noch häufiger desinfizieren. Bettwäsche sollte bei mindestens 60 Grad gewaschen werden. Werden Krankenhausbereiche wegen eines Norovirus-Ausbruchs geschlossen, sollen sie frühestens nach 72 Stunden wieder geöffnet werden.
Seit 2007 auffallend hohe Infektionszahlen
Wie sich das Norovirus in dieser Wintersaison ausbreitet, können die Experten nicht vorhersagen. Erfahrungen zeigen, dass die Infektionszahlen seit dem Winter 2007 in Deutschland besonders stark gestiegen sind. Höhepunkte der Erkrankungen waren dabei meist die Monate Januar bis März, wo mitunter bis zu 9000 Neuerkrankungen pro Woche gemeldet wurden, bundesweit.
Laut den jüngsten Zahlen in NRW waren in der zweiten November-Woche knapp 300 Norovirus-Fälle den Gesundheitsbehörden bekannt geworden. Zuletzt führte die Stadt Hamm die Statistik an, mit 100 Ausbruchsfällen. Aktuell seinen dort allerdings keine neuen Krankheitsfälle gemeldet, sagt ein Sprecher. Auch in Krefeld, mit 40 Fällen Anfang November in der Lokal-Statistik vorne, habe sich die Situation aktuell beruhigt, teilt die Stadt mit: „Es gibt derzeit in ganz Krefeld insgesamt 12 gemeldete Fälle, dabei keine Häufung an einem Standort. Das ist in dieser Jahreszeit absolut normal.“