Essen. Homosexuelle dürfen in Deutschland weder Blut noch Knochenmark spenden. Zu hohes HIV-Risiko, begründet der Blutspendedienst den Ausschluss. Der Verein „Schwules Blut“ kämpft gegen den Generalverdacht.

Nur sehr wenige Menschen können von sich behaupten, einem anderen Menschen das Leben gerettet zu haben. Lars Haucke-Martens ist einer dieser wenigen. Mit 16 Jahren lässt er sich in einer Spenderdatei für Stammzellen registrieren. Wenige Jahre später dann der Anruf: Man habe ihn als Spender für einen Leukämiepatienten identifiziert. Er sei geeignet, einem kranken Menschen das Leben zu retten. Die Gesundheitsprüfung verläuft positiv, der Spende steht nichts mehr im Wege – fast nichts. Denn Haucke-Martens ist homosexuell und darf damit weder Blut noch Knochenmark spenden.

Als ihm also beim Abschlussgespräch ein Fragebogen vorgelegt wird, stolpert er über einen Passus: die Frage nach seiner sexuellen Identität. Haucke-Martens ist irritiert, kann sich aber bereits denken, worauf die Frage abzielt. Als 16-Jähriger, als er seine Probe abgab, war er sich seiner Orientierung noch nicht bewusst, zumindest nicht im Klaren darüber. Damals hatte er noch eine Freundin. In der Zwischenzeit aber hat er für sich festgestellt: Er liebt Männer. Nun sieht er sich mit dieser Frage konfrontiert: Zwar lebt er monogam in einer festen Beziehung, doch er weiß, wenn er die Wahrheit sagt, ist es aus. Er entscheidet sich für eine Notlüge. Er sei heterosexuell, gibt er im Fragebogen an. Seine Spende wird akzeptiert.

Das war vor sieben Jahren. Seitdem ist viel passiert. So hat Haucke-Martens zum Beispiel den Verein „Schwules Blut“ ins Leben gerufen, um gegen den generellen Ausschluss von Homo- und Bisexuellen beim Blut-Plasma- und Knochenmarkspenden vorzugehen. Geändert hat das an der Blutspende-Praxis bislang jedoch wenig.

Studie: bis zu 70 Prozent der HIV-Neuinfizierungen bei Homosexuellen

Das Paul-Ehrlich-Institut - zusammen mit dem Robert-Koch-Institut und der Bundesärztekammer zuständig für die Richtlinien von Bluttransfusionen – begründet den Ausschluss der Spenden von Homosexuellen mit der Statistik für Neuinfektionen mit HIV. Demnach treten bis zu 70 Prozent der jährlichen Neuinfizierungen mit der Immunschwächekrankheit bei Homosexuellen auf. Dr. Dina Hammad, Oberärztin des Blutspendedienstes des Klinikums Dortmund, führt dazu aus, dass die sexuelle Praktik des Analverkehrs – sogar bei geschütztem Verkehr - ein deutliches höheres Risiko berge als vaginaler Geschlechtsverkehr.

Das Verletzungsrisiko sei höher und somit auch die Gefahr sich zu infizieren, sagt die Medizinerin. Alle Spenden würden zwar extra getestet, jedoch könne es vom Zeitpunkt der Infektion bis zu einem Monat dauern, bis der HI-Virus im Blut nachweisbar ist.

„Schwules Blut“ kämpft gegen den Generalverdacht

Dies bestreitet der Verein „Schwules Blut“ nicht. Und auch die Zahlen zu den Neuinfizierungen seien bekannt. Dennoch kämpfen sie für Akzeptanz. „Wichtig ist das individuelle Sexualverhalten“, sagt Haucke-Martens heute, „nicht die sexuelle Identität.“ Auch Maik Schütz, Vorsitzender des SC Aufruhr, eines schwul-lesbischen Sportvereins im Ruhrgebiet, fordert dazu auf, den Generalverdacht gegenüber Homosexuellen aufzugeben. Eine Reform der Fragebögen und verbesserte medizinische Beratungen seien zum Beispiel denkbar, um auch Homosexuelle am Blutspenden zu beteiligen. Zudem seien Bezahlungen für Spenden der falsche Anreiz, findet Haucke-Martens.

Der Vorschlag des Vereins „Schwules Blut“ sieht eine individuelle Befragung zum Risikoverhalten jedes Spenders vor. Jeder Spender mit risikobehaftetem Lebenswandel soll demnach ausgeschlossen, Personen mit risikoarmen Lebenswandel zugelassen werden, zum Beispiel jene, die ausschließlich Safer Sex betreiben. Blutspenden würden laut „Schwules Blut“ so noch sicherer, weil die Spender genauer ausgewählt werden.

Im Paul-Ehrlich-Institut wird die Problematik sehr kontrovers diskutiert. Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, weiterhin auf den Ausschluss von Homosexuellen zu beharren, heißt es dort. Allerdings habe die Sicherheit der Spendenempfänger oberste Priorität.

Der Ausschluss besteht also weiterhin und er gilt nicht nur für Homosexuelle: Auch Prostituierten, Drogenabhängigen und ehemaligen Gefängnisinsassen wird die Blutspende verweigert.