Brüssel. .
Homosexuelle Männer sind in vielen europäischen Ländern von der Blutspende ausgeschlossen. Der Preis für eine sichere Blutspende sei der Ausschluss bestimmter Personengruppen, so eine Expertin. Der Verein „Schwules Blut“ sieht das anders.
Mit dem Sommer sind sie wieder zu hören, die dramatischen Appelle der Blutspendeverbände. Die Konserven werden knapp, denn mit Hitze und Ferienzeit sinkt die Bereitschaft der Menschen, ihren Lebenssaft dem guten Zweck zu opfern. Doch obwohl Krankenhäuser und Arztpraxen mancherorts schon Notbestände verbrauchen und Operationen verschieben, bleiben bestimmte Bevölkerungsgruppen von der Spende ausgeschlossen: Häftlinge. Drogenabhängige. Oder auch Schwule.
Die Begründung: Homosexuelle Männer sind jene Bevölkerungsgruppe, in der die meisten Neuinfektionen mit dem HIV-Virus auftreten, das Ansteckungsrisiko ist nach Angaben der deutschen Bundesärztekammer hundert Mal so hoch wie bei heterosexuellen Männern. Zwar wird jede Blutspende im Labor auf Unbedenklichkeit untersucht, doch es kann vom Zeitpunkt der Infektion an bis zu einem Monat dauern, bis das HIV-Virus im Blut nachweisbar ist. Um das Risiko, das durch dieses „diagnostische Fenster“ entsteht, zu minimieren, schließen zwölf europäische Länder, darunter Deutschland, Schwule von der Blutspende aus.
Auch heterosexuelle Spender können Gefahr darstellen
Ein Skandal in den Augen von Lars-Haucke Martens. Der 29-Jährige, selbst schwul und nach eigenen Angaben in einer monogamen Beziehung lebend, engagiert sich beim Verein „Schwules Blut“ für die Änderung der Vorgaben. „Wir glauben, dass wir einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten könnten“, sagt er und plädiert für gezielte Fragen nach dem Sexualverhalten im ärztlichen Gespräch, das jeder Spende vorausgeht. „Da könnte man wunderbar die Spreu vom Weizen trennen“ ist er überzeugt – zumal heterosexuelle Spendenwillige mit häufig wechselnden Sexualpartnern ebenfalls eine Gefahr für Leib und Leben des Empfängers darstellen.
„Sie können von keinem Blutspendedienst verlangen, dass er mit jedem einzelnen ausführliche Gespräche über sein Sexualleben führt“, meint Susanne Stöcker vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI), einem Ableger des Gesundheitsministeriums, der gemeinsam mit der Bundesärztekammer die Leitlinien für die Blutspende hier zu Lande erarbeitet. Sie hält derartige Gespräche für zu umständlich, zu zeitaufwändig. Der Preis für eine sichere Blutspende sei derzeit nun einmal der kategorische Ausschluss bestimmter Personengruppen.
EU-Vorgaben auf dem Prüfstand
So klar positionieren sich längst nicht alle Länder Europas. Belgien hat eine Überprüfung seiner Regelungen angekündigt, Schweden sperrt männliche Spender, die über Sexualkontakte zu anderen Männern berichten, nur zeitweise und spanische Blutspendedienste fragen nicht mehr nach der sexuellen Orientierung, sondern nach wechselnden Sexualpartnern.
Auch die eher vagen EU-Vorgaben könnten demnächst auf dem Prüfstand stehen. Derzeit nimmt eine Arbeitsgruppe beim Straßburger Europarat die Situation in den Mitgliedsstaaten unter die Lupe, bis Ende des Jahres wollen die Experten den Kollegen in der Brüsseler EU-Kommission Bericht erstatten. Zum möglichen Ergebnis möchte sich EU-Gesundheitskommissar John Dalli aber lieber noch nicht äußern, bisher hat er nur angekündigt, seine Behörde werde sich mit dem Thema „befassen“.
Fragebögen geändert
In Deutschland haben die Schwulenverbände bisher nur eine Änderung der Spender-Fragebögen erreicht. Homosexuelle Männer werden jetzt nicht mehr im gleichen Atemzug mit Drogenkonsumenten und Gefängnisinsassen genannt. In der Neufassung wird zartfühlender nach Sexualverhalten und Risikofaktoren unterschieden.
Die Aids-Hilfe als Interessensgemeinschaft der Infizierten fordert auf Grund der bisherigen Daten zum erhöhten HIV-Risiko, den Ausschluss Schwuler beizubehalten. Und meint, an die Adresse Betroffener, „dass man sich mit der englischen Queen und dem deutschen Außenminister [...] eigentlich in sehr vornehmer Gesellschaft befindet.“ Die Königen der Briten nämlich könnte in den 90er Jahren BSE-verseuchtes Rindfleisch verspeist haben. Und der deutsche Chefdiplomat darf ebenso wenig spenden wie Lars-Haucke Martens.