Essen. Die Zeitumstellung bringt unsere innere Uhr durcheinander und schaden so der Gesundheit, sagen Forscher. Also weg damit, fordert der Europa-Abgeordnete Reul .
Nicht nur Vielflieger wie Staatenlenker oder Wirtschaftskapitäne leben permanent im Jetlag, sondern jeder zweite Mitteleuropäer – besonders im Sommer. Erst wenn am kommenden Sonntag um drei Uhr nachts die Chronometer wieder um eine Stunde zurückgestellt werden, „ticken“ wir wieder richtig. Denn die Zeitumstellung bringt unser fein justiertes inneres Uhrwerk völlig aus dem Takt, warnt der Chronobiologe Till Roenneberg, der mit seinem Team an der Ludwig-Maximilians-Universität in München die innere Uhr des Menschen erforscht. Das habe weitreichende Folgen.
Warum? Nach der inneren Uhr richtet sich unser persönlicher Schlaf-Wach-Rhythmus. Die subjektive Zeitabfolge hängt am Lauf der Sonne. Ihr Takt ist uns in die Wiege gelegt. Leider stimmt er nur selten mit den gesellschaftlichen Zeitplänen überein. Die Forscher haben anhand von Fragebögen die Schlafbedürfnisse von 78.000 Zentraleuropäern ermittelt. Die Mehrheit würde ihrer inneren Uhr folgend, natürlicherweise um halb eins ins Bett gehen und um 8.30 Uhr aufstehen. Der Wecker klingelt in den meisten Schlafzimmern aber schon um sieben. Die Folge: chronische Übermüdung.
Frühaufsteher haben weniger Probleme sich anzupassen
„Im Prinzip fehlt jedem Schlaf, der einen Wecker benutzen muss“, meint Roenneberg. Demnach leiden drei Viertel der Bevölkerung an Schlafentzug. Mit der Zeitumstellung am letzten Märzwochenende, die alle gesellschaftlichen Verpflichtungen um eine Stunde nach vorne verschiebt, werde die Dauerfolter noch verstärkt. „Das ist so, als würden wir die gesamte Bevölkerung alljährlich im Frühjahr nach Südmarokko versetzen und im Herbst wieder zurück“, sagt der Forscher.
Während Frühtypen – auch „Lerchen“ genannt – die Umstellung mit ihrem natürlichen Rhythmus mit Schlafzeiten von 20 bis 4 Uhr noch einigermaßen in Einklang bringen können, gelingt das den Spättypen („Eulen“), die erst um elf aus den Federn komme, kaum. „Es ist ja nicht so, dass die Sonne eine Stunde länger scheint, sondern dass wir eine Stunde früher zur Arbeit müssen“, erklärt Roenneberg.
All das habe ernste Konsequenzen. Denn je größer der „soziale Jetlag“ - so nennt der Forscher die Diskrepanz zwischen unserem natürlichen Rhythmus und dem engen Zeitkorsett des modernen Lebens - desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass wir zu viel Koffein konsumieren, Rauchen, Trinken, depressiv oder fett würden. Das Risiko von Herz- Kreislauferkrankungen steige, wegen des Stresses auch die Unfallgefahr. All das verkürzt die Lebenserwartung. Von den sozialen Verheerungen, die all die Heerscharen unausgeschlafener, schlecht gelaunter Kollegen, Autofahrer und Ehepartner anrichten, gar nicht zu Reden.
Zeitumstellung schadet den Menschen
Warum also das Ganze? Die Sommerzeit ist eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Die in Irland gebräuchliche Bezeichnung „Daylight Saving Time“ („Tageslicht sparende Zeit“) beschreibt ihren Zweck am besten. Nämlich die Stundenzahl mit (für Arbeit) nutzbarem Tageslicht zu vergrößern. Das sollte Energie sparen. „Dieser Effekt ist aber nicht eingetreten“, sagt der Europaabgeordnete Herbert Reul. Der Vorsitzende des Industrie-Ausschusses des Europäischen Parlaments kämpft seit vielen Jahren gegen die Uhrumstellerei. „Jetzt wissen wir, dass es nicht nur nichts bringt, sondern den Menschen auch schadet.“
Im europäischen Vergleich trifft die staatlich verordnete Zeitverschiebung übrigens die Spanier am härtesten: Die mitteleuropäische Zeit entspricht der Sonnenzeit auf dem 15. östlichen Längengrad, also in Prag. Während die Tschechen nachts um zwölf im Zweifel also schon zwei Stunden Nachtruhe hinter sich haben, ist in La Coruna, wo die Sonne anderthalb Stunden später aufgeht eigentlich erst halb elf. Kein Wunder dass hier die Siesta erfunden wurde.