Berlin. . Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem gefährlichen Darmerreger Ehec in Deutschland hat sich am Samstag auf zehn erhöht. Drei weitere Menschen erlagen der Durchfallinfektion. Unterdessen setzen die Ärzte in Hamburg auf ein neues Medikament.
Neue Hoffnung im Kampf gegen den Darmerreger Ehec: Ärzte in Hamburg setzen auf ein neues Medikament. Im UKE bekommen einige Patienten mit schwerstem Krankheitsverlauf seit Freitag einen Antikörper verabreicht. Er soll gegen das akute Nierenversagen wirken. Der Antikörper sei zuvor in einer Studie bereits erfolgreich bei drei Kleinkindern zum Einsatz gekommen, sagte die Sprecherin. Derweil ließ das UKE einige Patienten mit leichteren Verläufen bereits in andere Krankenhäuser verlegen. Es sei zu erwarten, dass weitere Patienten mit HUS eingeliefert werden.
Unterdessen hat sich die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem gefährlichen Darmerreger Ehec in Deutschland am Samstag auf zehn erhöht. Vier weitere Menschen erlagen im Norden der gefährlichen Durchfallinfektion. Der letzte Todesfall betrifft eine 86 Jahre alte Frau. Sie starb im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck an den Folgen einer schweren Darminfektion, dem sogenannten Hämolytisch-Urämischen Syndrom (HUS), wie ein Kliniksprecher auf dapd-Anfrage mitteilte. Auch deren Ehemann sei mit Verdacht auf eine EHEC-Infektion aufgenommen worden. Ob er ebenfalls an HUS leide, stehe noch nicht fest.
Bereits zuvor starb in einem Krankenhaus im Kreis Herzogtum-Lauenburg in Schleswig-Holstein am Samstag laut dem schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerium eine 84-Jährige an den Folgen einer schweren Darminfektion, dem sogenannten Hämolytisch-Urämische Syndrom (HUS). In der Nacht war bereits eine 87-Jährige an den Folgen der Erkrankung verstorben, wie eine Sprecherin des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) sagte.
Bereits am Donnerstag war in Kiel eine 38-Jährige an den Folgen einer schweren Darminfektion gestorben. Die Frau aus Osdorf (Kreis Rensdsburg-Eckernförde) war aus einem anderen Krankenhaus am 20. Mai ins Städtische Krankenhaus nach Kiel verlegt worden. "Sie hatte keine Vorerkrankungen", sagte eine Sprecherin des Städtischen Krankenhauses auf dapd-Anfrage. Ihr Zustand sei bereits bei der Einlieferung in Kiel kritisch gewesen.
Spanische Salatgurken-Betriebe wegen Ehec doch nicht geschlossen
Die spanischen Behörden haben Angaben der EU-Kommission widersprochen, wonach zwei Erzeugerbetriebe von Salatgurken bei der Suche nach dem Ursprung des gefährlichen Darmkeims Ehec geschlossen wurden. Es sei lediglich die Auslieferung von Teilen der Ernte gestoppt worden, teilte die andalusische Regionalbehörde am Samstag mit. "Ausführliche" Tests bei einem in Málaga angesiedelten Erzeuger hätten keinerlei Belastung mit dem Keim ergeben. Als Vorsichtsmaßnahme sei jedoch beschlossen worden, dass die verdächtige Ernte nicht ausgeliefert werden dürfe.
Auch bei einem zweiten Unternehmen sei der Teil der Ernte ausfindig gemacht worden, von dem auf einer nach Deutschland exportierten Gurke der EHEC-Erreger entdeckt worden war. Proben seien in ein Labor geschickt worden, erste Ergebnisse würden für Montag erwartet, erklärte die Regionalbehörde. Die EU-Kommission hatte am Freitagabend mitgeteilt, die beiden Betriebe seien bis auf weiteres geschlossen worden. Dies sei nicht der Fall, betonte die Regionalbehörde.
Das Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt hatte spanische Salatgurken als Quelle des Bakteriums identifiziert, das bei mehreren hundert Menschen in Deutschland schwere Durchfälle ausgelöst hat. Das Robert-Koch-Institut meldete einen weiteren Anstieg der am HUS erkrankten Menschen auf 276. In ganz Deutschland gibt es inzwischen mehr als 900 Verdachtsfälle. Bislang wurden sechs Todesfälle dem Darmbakterium zugeschrieben.
Lebensmittelhandel: "Vom Erreger erst aus den Medien erfahren"
Der Lebensmittelhandel kritisierte unterdessen das Krisenmanagement im Zusammenhang mit Infektionen durch den gefährlichen Darmkeim. "Obwohl wir in der Lebensmittelkette das letzte Glied vor dem Verbraucher sind und deshalb hohe Verantwortung tragen, haben wir von dem Erreger erst aus den Medien erfahren", sagte der Sprecher des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels (BVL), Christian Böttcher, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Zusammenarbeit zwischen den Lebensmittel-Überwachungsbehörden der Länder, dem Bundeslandwirtschaftsministerium und der Wirtschaft habe nicht optimal funktioniert.
Böttcher sagte, Informationen seien nicht zügig bereitgestellt worden. "Wir hätten uns gewünscht, dass die Behörden uns früher und offener ihre Erkenntnisse mitteilen", sagte er. Böttcher schlug eine "Task Force Lebensmittelschutz" vor. Als Mitglieder kämen außer dem Bundesagrarministerium, den Länderbehörden und dem BVL auch das Bundesinstitut für Risikobewertung in Frage.
Senioren besonders vorsichtig
Der Sprecher sagte, die Warnungen vor dem Verzehr von Gurken und Tomaten seien mit Rücksicht auf die Gesundheit der Verbraucher zwar verständlich. "Wenn man diese Strategie aber konsequent umsetzen würde, müsste man komplette Gemüseabteilungen schließen. Das kann aber nicht allen Ernstes das Ziel sein, da es viele Verkäufer zu Unrecht träfe", sagte Böttcher.
Aus Angst vor Ehec achtet die Mehrheit der Deutschen einer Umfrage zufolge derzeit besonders auf ihre Gemüseauswahl. 58 Prozent der Deutschen folgen dem Rat des Robert-Koch-Instituts (RKI) und verzichten auf den Verzehr von rohen Gurken, ungekochten Tomaten und Salat, wie eine Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" ergab. 41 Prozent folgen dem Expertenrat nicht.
Besonders vorsichtig sind nach der am Samstag veröffentlichten Erhebung Senioren. Während in der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen nur 44 Prozent angaben, derzeit kein rohes Gemüse mehr zu essen, verzichten 71 Prozent der befragten Senioren ab 60 Jahren darauf. Nur 27 Prozent wollen trotz des Erregers auch weiterhin rohes Gemüse essen, wie aus der Befragung der 500 Menschen ab 14 Jahre hervorgeht. (rtr/dapd/afp)