Leipzig. Als am 1. Juni 1961 in Deutschland die erste Antibaby-Pille Anovlar auf den Markt kam, wurde sie von den Frauen eher verhalten aufgenommen. Mittlerweile ist sie das beliebteste Verhütungsmittel - und noch immer gibt's Kritik.

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Für viele Frauen war sie ein befreiender Durchbruch, Moralwächter vor allem in der katholischen Kirche sahen in ihr dagegen eine Gefahr für Sitte und Anstand. Vor 50 Jahren - am 1. Juni 1961 - kam in Deutschland die erste Antibaby-Pille unter dem Namen Anovlar auf den Markt. Niemand ahnte damals freilich, dass sie das Leben der Frauen derart gewaltig beeinflussen würde.

Heute ist die Pille eines der am meisten genutzten Verhütungsmittel. Allein in Deutschland schützen sich mehr als sechs Millionen Frauen mit der Pille vor einer ungewollten Schwangerschaft. Mit der Pille konnten die Frauen erstmals selbst bestimmen, wann und wieviele Kinder sie bekommen wollten. Paare mussten keine Angst mehr vor ungewollten Schwangerschaften haben und empfanden die Pille als sexuelle Befreiung.

Pillenknick blieb in Ostdeutschland aus

Die Antibaby-Pille war so revolutionär, dass sie 1961 zunächst als Mittel zur Behebung von Menstruationsstörungen eingeführt und anfangs nur verheirateten Frauen verschrieben wurde. Konservative Moralhüter aus Kirche und Politik liefen Sturm. Auch deshalb wurde die Pille anfangs eher verhalten aufgenommen. Doch der aufbegehrenden jungen Generation kam sie gerade recht. Immer mehr Frauen schluckten das kleine Dragee, was Anfang der 70er Jahre in Westdeutschland zum sogenannten Pillenknick führte. Die Zahl der Geburten brach deutlich ein, und stagniert bis heute auf diesem Niveau.

In der DDR sorgte die 1965 unter dem Namen Ovosiston eingeführte Pille, die als "Wunschkindpille" propagiert wurde, für weit weniger Aufregung. Auch der Pillenknick blieb in Ostdeutschland aus, unter anderem weil der Staat mit Kinderkrippen vorsorgte. Im Bunde mit der Emanzipation der Frau habe die Pille die "hervorstechendste Wandlung" in der deutschen Gesellschaft verursacht, sagte Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) einst in einem Interview. Die Folge seien nicht nur sinkende Geburtenraten gewesen, sondern auch eine "sehr schnelle Überalterung" der Gesellschaft mit all ihren Konsequenzen für den Sozialstaat.

Unaufhaltsamer Siegeszug

Die katholische Kirche bleibt bis heute schärfster Widersacher der Pille. Im Jahre 1968 veröffentlichte der damalige Papst Paul VI. die Enzyklika "Humana Vitae". Darin verbietet die katholische Kirche den Gläubigen jegliche Form von Verhütungsmitteln mit der Begründung, der sexuelle Akt sei nur dann sittlich gut, wenn er der Fortpflanzung diene. Auch Papst Benedikt XVI. hält daran fest.

Den Siegeszug der Pille konnte dies nicht aufhalten. Weltweit wird sie heute von rund 60 Millionen Frauen eingenommen. In Deutschland verhütet laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) mehr als jede zweite Frau zwischen 18 und 49 Jahren mit dem Hormonpräparat. Anders als die Pillen der ersten Generation, die noch ein hochdosierter "Hormon-Cocktail" waren, sind die heutigen Präparate wesentlich niedriger dosiert und verträglicher.

Lungenembolien und Todesfälle

Ganz ohne Nebenwirkungen sind diese Medikamente aber nicht. Für Schlagzeilen sorgten zuletzt die von Bayer vertriebenen Antibaby-Pillen Yaz und Yasmin, die mit Lungenembolien und Todesfällen junger Mädchen in Deutschland, der Schweiz und den USA in Verbindung gebracht werden.

Kritiker fordern einen Verkaufsstopp für diese Form der Antibaby-Pille. Bayer hingegen argumentiert, die Pillen seien "sicher und wirksam", sofern sie gemäß den Anweisungen genommen werden. Tatsächlich kann es nicht nur bei Yaz und Yasmin, sondern generell bei Antibaby-Pillen vor allem im ersten Jahr nach Beginn der Einnahme in seltenen Fällen zu Embolien kommen. Darüber hinaus macht Wissenschaftlern noch eine ganz andere Beobachtung Sorge: Zumindest bei Fischen konnten sie nachweisen, dass Hormonrückstände der Antibaby-Pille im Wasser Schaden anrichten können. Die künstlichen Hormone der Pille werden über Toiletten und Klärwerke hinaus in Gewässer geschwemmt - mit der Folge, dass manche männliche Fische weibliche Merkmale ausbilden. (afp)