Essen. . Wer in diesen Tagen mehrmals täglich auf seinen gut gemeinten Wunsch „Gesundheit!“ nur entnervte Blicke aus gequollenen Augen erntet, der weiß, es ist Frühling, genauer: Pollenflugsaison. Denn: Jeder Sechste leidet an Heuschnupfen.

Wer in diesen Tagen mehrmals täglich auf seinen gut gemeinten Wunsch „Gesundheit!“ nur entnervte Blicke aus gequollenen Augen erntet, der weiß, es ist Frühling, genauer: Pollenflugsaison. Jeder Sechste leidet in Deutschland an Heuschnupfen. Weil nicht nur Gräser schuld sind, sprechen Ärzte von der saisonalen allergischen Rhinitis. Echte Heuschnupfenpatienten haben das Schlimmste noch vor sich, Haselpollenallergiker können bereits wieder aufatmen, und wer auf Birkenpollen reagiert, würde sich zurzeit vermutlich gern im Keller einschließen.

„Viele neigen dazu, Heuschnupfen zu bagatellisieren“, sagt Martin Wagenmann, Allergologe an der Uniklinik Düsseldorf, denn: „An Heuschnupfen stirbt man nicht.“ Dennoch sei die Krankheit sehr beeinträchtigend. Neben den Beschwerden und den Einschränkungen – beispielsweise kein Sport im Freien – sind Allergiker auch von Einbußen bei ihrer Leistungsfähigkeit betroffen. Eine Studie unter englischen Schulabsolventen zeigte das vor wenigen Jahren deutlich: Schüler, die unter Heuschnupfen litten, hatten ein 40 Prozent höheres Risiko, bei ihrer Abschlussprüfung um eine Note schlechter abzuschneiden als gewohnt. Bei jenen, die gegen die Symptome ein sogenanntes Antihistaminikum nahmen, lag das Risiko sogar 70 Prozent höher.

Je länger jemand an Heuschnupfen leidet, desto mehr Allergien kommen oft hinzu. Schlimmer noch sei aber der „Etagenwechsel“, den viele Betroffene erleben, warnt Wagenmann davor, wenn sich die Symptome von Nase und Augen zu den Bronchien verlagern. Oft ist chronisches Asthma die Langzeitfolge, eine Therapie des Heuschnupfens deshalb dringend angeraten.

Drei Methoden bei Pollenflug

Es gibt drei Arten, dem Pollenflug zu begegnen: Die erste besteht darin, den Pollen aus dem Weg zu gehen. Zu hause nur stoßlüften, in Städten bevorzugt früh morgens, auf dem Land am Abend. Weil die Pollen in Haar und Kleidung hängen bleiben, empfiehlt Wagenmann, abends die Haare zu waschen und die Kleidung außerhalb des Schlafzimmers zu lagen. Hilfreich sei auch ein modernes Auto mit Pollenfilter, der bei Inspektionen regelmäßig ausgetauscht werden müsse. „Dann muss man natürlich Fenster und Schiebedach zu lassen“, betont der Allergologe.

Akut bekämpfen lassen sich die Symptome mit Tabletten, den bereits erwähnten Antihistaminika. Weil die jedoch bei starken Problemen und speziell gegen Atembeschwerden kaum helfen, rät Wagenmann zu Nasensprays mit Kortison: „Die wirken nur in der Nase und haben dadurch nicht die üblichen Nebenwirkungen von Kortison.“

Spezifische Immuntherapie

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Die einzige Möglichkeit, den langfristigen Verlauf zu beeinflussen und so auch Asthma vorzubeugen, bietet allerdings die spezifische Immuntherapie, besser bekannt als Hyposensibilisierung. Dabei wird der Körper über drei Jahre hinweg immer wieder erhöhten Dosen des jeweiligen Allergens ausgesetzt, also jenen Stoffen, die die Allergie auslösen; so lange, bis der Körper sich daran gewöhnt hat. Denn hinter einer Allergie verbirgt sich stets die Überreaktion eines „Immunsystems, das sich langweilt und auf harmlose Auslöser stürzt“, vereinfacht Wagenmann.

Möglich ist die Immuntherapie mit Tabletten oder Spritzen, wobei bislang nur Spritzen auch gegen Baumpollen wirken. „Gegen Gräserpollen helfen beide Formen“, sagt Wagenmann, „die Spritze pikst, dafür muss man die Tablette täglich nehmen“. Vier von fünf Betroffenen sind nach der Therapie komplett oder weitgehend beschwerdefrei. Ob auch Akupunktur gegen Heuschnupfen helfe, stehe nach heutigem Wissensstand auf „wackeligen Beinen“, urteilt Wagenmann. Für einen Nutzen der Homöopathie gebe es keine Evidenz. Allerdings zeigten aktuelle Studien, dass einige pflanzliche Präparate gegen die Allergie wirken. Noch sind diese Mittel aber nicht auf dem Markt.

Biotechnologischer Impfstoff soll helfen

Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts in Langen wollen zudem die häufigen Kreuzallergien bekämpfen. Viele Heuschnupfenpatienten können beispielsweise keine Äpfel oder Kirschen vertragen. Dagegen soll in einigen Jahren ein biotechnologischer Impfstoff helfen. Weil er direkt in den Körperzellen produziert wird, könnte er weniger Immunreaktionen auslösen als bisherige Therapieansätze.

Ideal wäre es natürlich, der Entstehung des Heuschnupfens vorzubeugen. Die Medizin kennt heute verschiedene Gene, die das Risiko erhöhen, eine Allergie zu entwickeln. Ob es dazu kommt, entscheiden aber auch Umweltfaktoren. Entgegen früherer Lehrmeinung sei es deshalb gut, Babys früh feste und abwechslungsreiche Nahrung zu geben, um ihr Immunsystem an die verschiedenen Allergene zu gewöhnen, rät Wagenmann: „Das ist praktisch eine natürliche Immuntherapie.“