Washington.

Die Einnahme von Antibiotika kann die Darmflora schädigen. Studien zufolge kann das auch Ursache sein für Fettleibigkeit, entzündliche Darmerkrankungen und Allergien sein.

Dass Antibiotika bei vielen Menschen Verdauungsprobleme verursachen, ist allseits bekannt. Aber die wiederholte Einnahme solcher Medikamente verändert einer Studie zufolge auch die natürliche Bakterienvielfalt im Darm über längere Zeit. Zwar weiß niemand, ob dies langfristig größere Probleme auslöst. Aber immer mehr Untersuchungen zeigen, wie wichtig der individuelle Bakterienzoo eines Menschen für seine Gesundheit ist. Demnach könnte eine ungünstige Mikrobenmixtur im Verdauungstrakt zu etlichen Beschwerden beitragen - von Fettleibigkeit bis zu entzündlichen Darmerkrankungen.

Ein Drittel der Darmbakterien verschwindet

Manche Forscher vermuten, dass die Einnahme von Antibiotika in der frühen Kindheit Immunstörungen wie Allergien oder Asthma auslösen kann. Denn die Medikamente sind grundsätzlich nicht wählerisch: Sie töten nützliche Bakterien ebenso ab wie die üblen Keime, gegen die sie verordnet werden. David Relman von der Universität Stanford wollte ermitteln, wie lange die Mikrobenvielfalt im Darm braucht, um sich wieder zu erholen. Daher ließ er drei gesunde Frauen, die länger keine Antibiotika verwendet hatten, wiederholt im Abstand von sechs Monaten für die Dauer von jeweils fünf Tagen einnehmen.

Bei mehrmaliger Einnahme von Antibiotika kann sich die Darmflora nicht regenerieren. (Bild: Imago)
Bei mehrmaliger Einnahme von Antibiotika kann sich die Darmflora nicht regenerieren. (Bild: Imago) © imago stock&people

Im ersten Durchgang klagte zwar keine der Frauen über Durchfall oder Übelkeit. Aber Stuhlproben enthüllten, was sich unter der vermeintlich ruhigen Oberfläche tat. Ein Drittel bis die Hälfte der Bakterienarten verschwand nahezu ganz, dafür drängten andere Mikroorganismen in die frei gewordene Lücke. Nach einer Woche hatte sich die ursprüngliche Bakterienverteilung aber bei zwei der drei Frauen wieder eingestellt. Nur bei der dritten Probandin waren die Keimkolonien noch ein halbes Jahr später verändert.

Der zweite Antibiotika-Durchgang setzte den Darmkeimen anfangs wieder in ähnlichem Maße zu. Aber diesmal normalisierte sich - anders als zuvor - die Darmflora bis zum Ende der Studie zwei Monate später bei keiner der drei Frauen.

Das Gleichgewicht ist störanfällig

Die Untersuchung zeigt exemplarisch das fragile Gleichgewicht, das der Mensch mit seinem Mikrobiom teilt - also jenen Billionen Mitbewohnern, die sich etwa auf der Haut oder in der Nase tummeln. Viele sind von ihnen sind nicht nur nützlich, sondern gar extrem wichtig. Dies gilt vor allem für die Bakterien des Darms, deren Rolle jahrelang unterschätzt wurde. „Die Gemeinschaften des Verdauungstraktes sind grundlegend für die Entwicklung unseres Immunsystems“, betont Relman, dessen Studie im renommierten Fachblatt „PNAS“ veröffentlicht wurde. „Wir sollten sie nicht für garantiert nehmen.“

Der Forscher will nun klären, welche Wirkung Antibiotika in den ersten beiden Lebensjahren haben - also genau dann, wenn Kleinkinder ihre ureigensten Keimkolonien aufbauen. Möglicherweise steigern die Medikamente in dieser Phase das Risiko für spätere Probleme des Immunsystems.Denn jeder Mensch kommt mit einem mehr oder weniger sterilen Verdauungstrakt zur Welt. Der wird binnen Tagen von verschiedensten Keimen besiedelt. Die stammen von den Eltern, aus der Umgebung, von der ersten Nahrung. Nach und nach steigt die Vielfalt im Darm eines gesunden Menschen auf Hunderte Mikrobenarten, von denen viele der Verdauung und dem Immunsystem nützliche Dienste erweisen.

Übergewichtige haben andere Darmbakterien

Fettleibige Menschen haben andere Darmkeime. (Bild: Imago)
Fettleibige Menschen haben andere Darmkeime. (Bild: Imago) © imago stock&people

Forscher wissen etwa, dass fettleibige Menschen andere Darmkeime tragen als schlanke Personen. Schon eine Diät kann die Keimkolonien verändern. Zudem könnten veränderte Bakterienkolonien auch an Erkrankungen beteiligt zu sein, etwa an der Entstehung von Polypen, einer Vorform von Darmkrebs.

Zwar sollten Antibiotika ohnehin grundsätzlich sparsam verwendet werden, allein schon wegen der Gefahr, dass bakterielle Krankheitserreger Resistenzen dagegen entwickeln. Aber die neue Studie zeigt, dass sie auch nützlichen Bakterien zusetzen, mit unabsehbaren Risiken für die spätere Gesundheit.

„Wir sollten anfangen, mehr darauf achten“, sagt der Mikrobiologe Martin Blaser von der Universität New York, der nicht an der Studie beteiligt war. „Der Einsatz von Antibiotika hat auch aus biologischer Sicht seinen Preis.“ (dapd)