Frankfurt/Main.

Mit dem Alter kommt das Vergessen. Meist sind es Kleinigkeiten: ein Termin, eine Telefonnummer oder die verlegte Brille. Im Normalfall kein Grund zur Sorge. Doch bei immer mehr Menschen ist das Vergessen krankhaft - etwa 1,2 Millionen Deutsche leiden an Demenz.

Eine Demenz bleibt lange unbemerkt. „Wenn alltagsrelevante Gedächtnisprobleme auftreten, ist im Gehirn schon sehr viel passiert“, sagt der Bonner Neurologe Wolfgang Maier. Zunächst wird der Schlüssel verlegt und nicht wiedergefunden, komplexere Vorgänge wie die Planung einer Reise oder die Steuererklärung können nicht mehr bewältigt werden. Irgendwann wird selbst das Zähneputzen zur unlösbaren Aufgabe. „Schon im mittleren Stadium der Demenz geht die Selbstständigkeit der Lebensführung verloren“, sagt Maier.

Demenz ist nicht gleichbedeutend mit Alzheimer

Die häufigste Form der Demenz ist die Alzheimer-Krankheit. Hierbei führen fehlerhafte Stoffwechselvorgänge zu einem langsam fortschreitenden Untergang von Nervenzellen und Nervenzellkontakten. Es kommt zu Eiweißablagerungen. Eine Zeit lang kann das Gehirn die Verklumpungen kompensieren. „Wenn es mal an einer Stelle nicht so gut funktioniert, gibt es Ausweichmöglichkeiten“, erklärt Maier. Doch früher oder später gibt es Irritationen bei der Signalübertragung.

Diese Irritationen treten in der Regel erst in höherem Alter auf. Bei sekundären Demenzen, bei denen es sich um Begleiterscheinungen anderer Grunderkrankungen handelt, bestehen oft gute Heilungschancen. Bei primären Demenzen wie Alzheimer ist der Prozess jedoch irreversibel. Mehr als 700.000 Menschen leiden in Deutschland schon heute an Alzheimer. Und wegen der steigenden Lebenserwartung werden es immer mehr.

Im Endstadium der Krankheit leiden Betroffene unter gravierenden Orientierungsproblemen und zunehmenden Verhaltensstörungen. Situationen werden falsch eingeschätzt, das Haus wird im Schlafanzug verlassen, der Tag-Nacht-Rhythmus kann nicht mehr richtig eingehalten werden. Der Erkrankte muss rund um die Uhr betreut werden. Allmählich geht die Fähigkeit zu sprechen und zu verstehen verloren. Es kommt zu Frustration, gelegentlich zu Apathie oder Aggression. Eine innerliche Abkehr von der Umgebung. Schließlich werden nicht mal mehr nahestehende Angehörige erkannt.

Emotionen bleiben

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Dass die eigenen Eltern oder Großeltern sich nicht mehr an sie erinnern, macht die Last der Ganztagspflege für die Angehörigen nicht leichter. Wolfgang Maier rät dennoch dazu, sich nicht entmutigen zu lassen, jede Möglichkeit zu nutzen, weiter Vertrauen aufrechtzuerhalten. Weiter positive Emotionen zu zeigen, auch wenn man zurückgestoßen wird. „Auch wenn sich Demenz-Kranke nicht mehr ausdrücken können, ist es doch so, dass sie bei einem Besuch von Angehörigen Emotionen empfinden.“

Wichtig für Demenz-Kranke ist es dem Bonner Neurologen zufolge, so lange wie möglich eine Identität, ein Gefühl für sich selbst aufrecht zu erhalten. Dazu sei es nützlich, viel aus dem früheren Leben zu erzählen, zu erinnern. Angehörige sollten gemeinsam mit dem Patienten liebgewordene Gewohnheiten pflegen. „Wenn er Musik gehört hat, die Musikstücke, die er besonders mag, mit ihm hören. Auch tanzen kann man mit Demenzkranken.“

Auch wenn sich der Gedächtnisabbau nicht verhindern lässt, so gibt es doch Möglichkeiten, ihn hinauszuzögern. Entscheidend ist vor allem die geistige, körperliche und soziale Aktivität. „Je früher das beginnt, umso mehr ist der Effekt da“, sagt Maier. Erst nach der Diagnose mit dem regelmäßigen Waldlauf zu beginnen sei zu spät. Bewegung und gesunde Ernährung müsse bereits im mittleren Lebensalter eine Rolle spielen.

Nach Ausbruch der Demenz sei dennoch vor allem die geistige Aktivität wichtig. Aber immer nur in Maßen: „Wichtig für Angehörige ist, dass sie den Erkrankten nie überfordern, dass sie sich mit Kritik zurückhalten und nicht auf Fehler hinweisen.“ Es gelte, Lebensfreude zu vermitteln, um die Erkrankung möglichst erträglich und die Lebensqualität möglichst hoch zu halten. (dapd)