Velbert. .
Über das Thema „Demenz“ sprach Redakteurin Ellen Wiederstein mit der Projektkoordinatorin des Demenz-Netzes Velbert und Leiterin vom „Haus der Senioren“, Cornelia Kleine-Kleffmann.
Sie beschäftigen sich schon lange mit Demenz. In Theorie und Praxis. Steigt die Zahl der Demenz-Kranken tatsächlich oder hat man diese Krankheit lange nicht erkannt bzw. erkennen, also tabuisieren wollen?
Beides ist richtig. Die Zahl der Erkrankten steigt, weil die Lebenserwartung steigt und damit das Risiko, an einer Demenz zu erkranken: bei 90-Jährigen gibt die Statistik 30% Demenzerkrankte an. Und noch heute ist es so, dass die Menschen große Angst vor der Erkrankung haben oder sie als beschämend empfinden und sie deshalb tabuisieren.
Erfahren Sie verstärkten Zulauf bei Ihren Demenz-Angeboten, etwa dem Café?
Im Betreuungscafé fingen wir vor fünf Jahren mit einem Nachmittag in der Woche an. Heute sind beide Gruppen, dienstags und donnerstags, gut besucht. Wir können leider nicht in dem Maße auf Betreuungswünsche in der Häuslichkeit eingehen, wie sie geäußert werden. Dazu haben wir zu wenig Ehrenamtliche.
Steigen die Anfragen an Sie, um sich über das Erkennen von Demenz und den Umgang mit dieser Krankheit zu informieren?
Da das Thema glücklicherweise immer mehr in die Öffentlichkeit rückt, rufen immer häufiger Menschen an, die sich trauen, über das Problem zu sprechen, und auch bereit sind, Hilfe anzunehmen. Allerdings melden sich die Menschen meist erst, wenn die Krankheit schon fortgeschritten ist. Dabei kann man gerade zu Beginn der Erkrankung noch viel tun, um sein Leben mit der Krankheit gut zu organisieren.
Woran kann der Angehörige erkennen, dass eine Demenz vorliegen könnte?
Da die Krankheit eine Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung und somit eine verringerte Alltagskompetenz mit sich bringt, wird der Erkrankte feststellen, dass er die Dinge des täglichen Lebens nicht mehr so gut geregelt bekommt, wie er es gewohnt ist. Die ersten Anzeichen sind diskret. Angehörige merken oft leichte Persönlichkeitsveränderungen. Der Mensch wird ungeduldiger, leichter aggressiv, zurückhaltender, depressiv. Es fällt schwer, aufgrund solch anfangs kleiner Veränderungen den Verdacht zu äußern, es handele sich um Demenz.
Was unternehmen Sie, um die Bürger verstärkt über die Demenz und den Umgang damit aufzuklären?
Ich engagiere mich im Demenznetz Velbert und Kreis Mettmann, denn gemeinsam kann man viel mehr erreichen. Wir organisieren Schulungen, Informationsveranstaltungen, Beratungsangebote, z.B. die Sprechzeit Demenz in jedem Stadtteil. Zudem biete ich Beratung an und mache Öffentlichkeitsarbeit. Ziel ist, alle Bürger mit Grundkenntnissen zu versorgen, um handlungsfähig zu sein.
Was halten Sie von dem Reformentwurf der Familienministerin, eine zunächst zweijährige Pflegezeit zu gewähren?
Ich kenne einige Angehörige, die wegen der Pflege ihre Berufstätigkeit aufgegeben haben, zumeist Frauen. Vielleicht kann die Pflegezeit für einige Familien hilfreich sein. Doch die Krankheit betrifft immer ein Individuum mit seinem individuellen Umfeld, da gibt es keine allgemeingültigen Lösungen. Man muss aus einer Vielzahl von Angeboten das für sich richtige wählen können. Ich setze sehr auf bürgerschaftliches Engagement und auf Aufklärung. Es braucht immer viele Schultern, um die Last der Krankheit zu tragen. Wir sind alle gefragt. Demenz geht alle an.