Washington. Was schon länger vermutet wurde, haben japanische Forscher nun zum ersten Mal anhand genetischer Untersuchungen belegt: Krebszellen können während der Schwangerschaft auf das ungeborene Kind übertragen werden.
Japanische Forscher untersuchten Tumorzellen eines Säuglings und fanden heraus, dass diese den mütterlichen in bestimmten Genabschnitten so sehr glichen, dass sie offenbar im mütterlichen Körper entstanden und anschließend auf den Fötus übergesprungen sind. Den kindlichen Zellen fehlte zudem ein bestimmtes Oberflächenprotein, wodurch sie für das Immunsystem unsichtbar wurden, so dass sie sich unbemerkt in den Körper einschleichen konnten. Bei der Mutter waren diese Proteine noch vorhanden gewesen, wie Takeshi Isoda von der Universität von Tokyo und seine Kollegen in einem Fachmagazin berichten
Test mittels Fingerprinting
Die bislang einzige Möglichkeit, Krebszellen ihren Vorläufern eindeutig zuzuordnen, ist das sogenannte genetische Fingerprinting. Dabei bestimmen die Forscher die DNA-Sequenz der Krebszelle an mehreren Stellen und fertigen damit ein Zellprofil, das so individuell wie ein Fingerabdruck ist. Wenn sie damit dann das Profil einer anderen Zelle vergleichen, können sie mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit die Verwandtschaft der beiden Zellen bestimmen. Mit dieser Methode verglichen sie Zellen, die sie aus einem Tumor am Kiefer eines elf Monate alten Kleinkindes gewonnen hatten, mit mütterlichen Zellen. Bei der Mutter war kurz nach der Geburt eine Leukämie festgestellt worden.
Die Analyse ergab, dass das Erbgut in den allermeisten Tumorzellen des Kindes nicht eine Mischung aus väterlicher und mütterlicher DNA war, wie bei allen anderen Körperzellen. Vielmehr stimmte die Tumorzellen-DNA praktisch mit der mütterlichen überein. Daraus schließen die Forscher, dass der Tumor des Kindes seinen Ursprung im Körper der Mutter hatte und auf das Kind übertragen wurde. Dass Krebs unter Umständen ansteckend sein kann, ist schon länger bekannt. Dass diese Ansteckung aber über die Plazenta geschehe, sei äußerst selten, schreiben die Forscher. Diese Barriere verhindere normalerweise zusammen mit dem Immunsystem eine Ansteckung von Mutter auf Kind.
Die Tumorzellen tricksen das Immunsystem aus
Doch auch das Immunsystem kann offenbar ausgetrickst werden. So fehlte bei den kindlichen Tumorzellen ein wichtiger Bestandteil der Zelloberfläche, der bei der Mutter noch vorhanden gewesen war: die sogenannten mütterlichen HLA-Allele. Diese kennzeichnen alle körpereigenen Zellen und schützen sie vor dem eigenen Immunsystem. Sie hätten das Immunsystem des Kindes dazu veranlasst, die Krebszellen anzugreifen, einfach weil die mütterlichen HLA-Allele sie als fremd markiert hätten - unabhängig davon, ob es sich um Krebszellen handelt. Doch da die mütterlichen HLA-Allele gelöscht waren, hatte das Immunsystem des Kindes keine Möglichkeit, die mütterlichen Tumorzellen als fremd zu erkennen. Der Verlust der HLA-Allele ist wahrscheinlich eine der Strategien, mit denen Krebszellen von einem Körper in einen anderen gelangen, schließen die Forscher. (ddp)