Essen. . Die Stoßwellentherapie gilt in der Urologie als etablierte Behandlungsmethode. Doch auch in anderen Fachgebieten kommt sie mittlerweile zum Einsatz.

In der Sprache der Physik sind Wellen „sich ausbreitende Schwingungen eines elektromagnetischen Feldes“. Als Mikrowellen, die das Abendessen von gestern erwärmen, als Radiowellen, die Nachrichten und Musik zu uns transportieren, als Licht- und Wärmestrahlung. Auch die Medizin macht sich hochenergetische Druckwellen zunutze: die sogenannten Stoßwellen.

Wie funktioniert die Stoßwellentherapie?

Die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) nutzt die Kraft mechanischer Schwingungen, die sich im menschlichen Gewebe besonders gut ausbreiten. Feste Hindernisse, die eine größere Dichte haben als das umliegende Gewebe, wie etwa Nierensteine, reflektieren die Druckimpulse, so dass starke Kräfte entstehen. „Die Stoßwellen zerkleinern den Stein auf Bestandteile in Sandkorngröße – die dann über den Urin ausgeschieden werden können“, sagt Dr. Philip Hüppe, Facharzt für Urologie am Universitätsklinikum Essen.

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Für die Behandlung sind spezielle Geräte erforderlich, mit deren Hilfe die Stoßwellen erzeugt und durch eine Art Linse punktgenau auf die entsprechende Stelle im Gewebe fokussiert werden. Der Patient spürt eine starke Vibration – abhängig von der individuellen Schmerzempfindlichkeit und der Intensität der Stoßwellen ist eine örtliche Betäubung sinnvoll.

Bei welchen Beschwerden wird die Methode eingesetzt?

In der Urologie gilt die in Deutschland entwickelte Therapie schon seit Jahrzehnten als etablierte Behandlungsmethode, um Nieren- und Harnleitersteine zu zertrümmern – die laut Philip Hüppe das häufigste urologische Problem darstellen. Mit dem Alter hat die Erkrankung nichts zu tun. „Nierensteine können beispielsweise durch eine Infektion oder bestimmte Grunderkrankungen entstehen, aber auch durch Faktoren wie eine zu geringe Flüssigkeitsaufnahme.“ In vielen Fällen kann die Stoßwellentherapie eine Operation überflüssig machen. Obwohl es heute auch endoskopische Behandlungsmöglichkeiten gibt, sind die Vorteile der Stoßwellen offensichtlich: „Anders als der endoskopische Eingriff kann die Stoßwellenbehandlung ambulant ganz ohne Betäubung oder – bei Bedarf – nur mit leichter Sedierung vorgenommen werden“, sagt Philip Hüppe.

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Das macht sie gerade für Patienten, bei denen eine Narkose aufgrund von Begleiterkrankungen riskant wäre, oder die schlicht keine Narkose wünschen, zu einer interessanten ersten Option. Manche Steine sind jedoch von vornherein zu groß für die Stoßwellenbehandlung – dennoch lohne sie sich hier als Maßnahme zur „Vorzerkleinerung“, sagt Hüppe. Denn die verkürze die Dauer der nachfolgenden Operation – was den Eingriff für den Körper weniger belastend macht. Natürlich komme es immer darauf an, was der Patient vorziehe, so Hüppe: „Will er ein möglichst schnelles Ergebnis oder will er sich langsam von der am wenigsten invasiven zur invasiveren Behandlungsmethode vortasten?“

Denn die Nebenwirkungen sind vergleichsweise harmlos: Blutergüsse und Hautrötungen. In seltenen Fällen könnten auch Herz-Rhythmus-Störungen ausgelöst werden, sagt Hüppe, „dem kann man aber entgegenwirken, indem man die Stoßwellen mit dem Pulsschlag des Patienten synchronisiert.“

Wie viele Sitzungen sind erforderlich?

Wie oft die Behandlung wiederholt werden muss, richtet sich nach der Größe und der Festigkeit des Steins. „Manchmal genügt eine einmalige Behandlung“, sagt Philip Hüppe. „Ein vier Millimeter großer Stein in günstiger Lage kann nach einer Therapiesitzung pulverisiert sein.“ Der Behandlungserfolg wird mittels Röntgenuntersuchung kontrolliert.

Gibt es weitere Krankheitsbilder, bei denen sich die Behandlungsform anbietet?

Neben dem „klassischen“ Einsatzgebiet sei das Verfahren auch eine Option bei leichtgradigen Erektionsstörungen, sagt Philip Hüppe: „Es gibt Hinweise auf eine positive Beeinflussung – aber das wird noch erforscht. Daher werden die Kosten noch nicht von der Krankenkasse übernommen.“ Auch bei der Behandlung einer Schwellkörpererkrankung, bei der sich entzündliches Plaquegewebe bildet, was zu Schmerzen bei der Erektion und einer Penisverkrümmung führt, könne die Behandlung im Rahmen einer Schmerztherapie als Überbrückungsmaßnahme bis zur OP eingesetzt werden, so der Urologe.

Auch in der Orthopädie kommt die Methode zum Einsatz, so zum Beispiel bei Fersensporn, Kalkschulter, Erkrankungen der Achillessehne und Funktionsstörungen der Muskulatur. Allerdings gehört das Verfahren hier nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen, sondern stellt eine individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) dar. Basierend auf der Studienlage bewertet der IGeL-Monitor des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen die Wirksamkeit des Verfahrens beim plantaren Fersenschmerz als „tendenziell positiv“, bei der Kalkschulter als „unklar“ und beim Tennisarm als „tendenziell negativ“.

Zukünftig sind laut Philip Hüppe allerdings auch andere Einsatzgebiete der Stoßwellentherapie denkbar – „etwa in der Kardiologie, da Stoßwellen gefäßwirksam sind und möglicherweise Gefäßverschleiß entgegenwirken könnten.“