Essen/Düsseldorf. Die Aorta ist die Hauptschlagader – doch sie kann ihre Elastizität verlieren und platzen. Doch wird das Problem früh erkannt, haben Patienten gute Chancen.

Der berühmte Schriftsteller Thomas Mann und der Physiker Albert Einstein starben, weil ihre Hauptschlagader nach und nach den Dienst versagte. Mediziner verschiedener Fachrichtungen arbeiten zusammen, um solche Todesfälle zu verhindern und die Aorta gesund zu erhalten oder – wenn nötig – sogar zu ersetzen.

Welche Rolle spielt die Aorta im Körper?

Die Aorta ist die Lebensader des Körpers. Sie entspringt im Bereich des Herzens und verläuft durch den Brustkorb sowie den Bauchraum, bis sie sich in zwei große Äste – die Beckenschlagadern – aufteilt. Bei einem gesunden Menschen hat die Ader einen Durchmesser von zwei Zentimetern. Sie transportiert das mit Sauerstoff angereicherte Blut aus dem Herzen und verteilt es über ihre Abzweigungen im Organismus. Über Jahrzehnte muss die Aorta täglich (Blut-) Druckschwankungen entgegenwirken.

Weshalb ist sie gefährdet – und wie?

Reißt diese zentrale Lebenslinie ein, verblutet man innerhalb kürzester Zeit. „Nur 20 Prozent der betroffenen Patienten überleben ein solches Ereignis“, sagt Professor Dr. Hubert Schelzig, Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie an der Düsseldorfer Uni-Klinik, der gerade mit Kollegen das Deutsche Aortenzentrum Düsseldorf (DAD) gegründet hat. Bevor die Aorta reißt, entwickelt sich eine Schwäche der Adernwand. „Die Auslöser hierfür sind unterschiedlich. So gibt es einige Patienten, die ein schwaches Bindegewebe geerbt haben, weshalb sich die Hauptschlagader bereits ab dem 30. Lebensjahr erweitern kann“, erklärt Schelzig.

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„Die häufigsten Veränderungen sind entweder Ausweitungen, so genannte Aneurysmen, oder Einrisse, Aortendissektion genannt“, ergänzt Professor Dr. Ralf Kolvenbach, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie im Augusta-Krankenhaus Düsseldorf.

Wie entstehen diese Erkrankungen?

Verliert die Aorta ihre Elastizität, dann entsteht eine Ausbuchtung – das Aneurysma. Ralf Kolvenbach: „Dabei handelt es sich um einen Blutsack, der aufgrund der Druckverhältnisse im Bereich der Aorta wachsen kann.“ Hält die dünne Adernwand dem Druck nicht mehr stand, reißt sie. Dies kann bei einer Aortendissektion akut geschehen – häufig bei Patienten mit erhöhtem Blutdruck.

Auf welche Weise erkennt man sie?

Die Aneurysmen lassen sich laut Professor Kolvenbach durch eine Ultraschalluntersuchung diagnostizieren. „Dieses gilt nicht für Veränderungen der Schlagader im Brustkorb. Hier kann eine Diagnose nur durch die Computertomographie oder Kernspintomographie gestellt werden“, so der Spezialist. Häufig wird ein Aneurysma zufällig entdeckt, wenn aus anderen Gründen der Bauchraum untersucht wird – etwa bei Prostata-Problemen. Professor Schelzig: „Aneurysmen verursachen oft über lange Zeit keine Beschwerden. Sie können sich aber auch in Rücken- oder Bauchschmerzen äußern.“ In Großbritannien oder Skandinavien gibt es nach seinen Worten Screening-Programme, die eine Ultraschalluntersuchung bei Risikogruppen empfehlen – eine Regelung, die lebensrettend sein kann und auch von deutschen Ärzten gefordert wird.

Gibt es Menschen, die ein besonderes Risiko tragen?

Es gibt Faktoren, die laut Professor Schelzig per se zu einer chronischen Veränderung von Schlagadern führen, vor allem Nikotin, Bluthochdruck und erhöhte Blutfettwerte. Männer haben nach seinen Worten ein sechsfach höheres Risiko, ein Aneurysma zu entwickeln – vor allem viele Raucher. Laut dem Experten kann die Erkrankung auch vermehrt innerhalb einer Familie auftreten.

Warum arbeiten Mediziner mehrerer Fachrichtungen hier zusammen?

Viele Patienten mit einer geschwächten Aorta haben gleichzeitig Erkrankungen anderer Gefäße oder des Herzens. Deshalb ist laut dem Gefäßspezialisten Kolvenbach eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Experten anderer Fachrichtungen – wie der Kardiologie – hinzuzieht, für die Therapie wichtig. Außerdem kann es notwendig werden, den erkrankten Anteil der Aorta gegen eine Prothese auszutauschen bzw. von innen abzustützen. Schelzig: „Je nachdem, wie viele Anteile der Aorta zerstört sind, muss manchmal die gesamte Schlagader vom Ursprung am Herzen bis zur Aufteilung in die Beckengefäße ersetzt werden.“

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Durch medizinische Weiterentwicklungen ist es laut Ralf Kolvenbach an spezialisierten Zentren möglich, in weit über 90 Prozent der Fälle Patienten mit der Implantation so genannter Stents aus besonderem Kunststoff zu behandeln. Dafür sind ausgefeilte Operationstechniken notwendig. So können viele Eingriffe mithilfe der sogenannten Knopflochchirurgie, also minimal-invasiv geschehen. Kolvenbach: „Im Gegensatz zur offenen Operation ist dies mit einer wesentlich geringeren Belastung für den Patienten verbunden. Studien zeigen, dass die Gefahr, während eines Eingriffes zu sterben, durch diese Verfahren deutlich gesenkt werden konnte.“ Zentren haben eine besondere Infrastruktur für die OP inklusive Vorbereitung und Nachsorge. Daran sind neben einem Gefäßchirurgen auch spezialisierte Narkoseärzte, Intensivmediziner, Herzspezialisten und Herzchirurgen beteiligt. Zudem gibt es Ärzte, die Patienten mit angeborenen Bindegewebsschwächen beraten.

Wie ist die Perspektive für Patienten?

Erkennt man ein Aneurysma rechtzeitig, ist die Perspektive laut den Experten gut – wenn die Patienten regelmäßig per Ultraschall untersucht werden, um festzustellen, ob die Ausbuchtung der Ader wächst und eventuell operiert werden muss. Nach einer OP gilt es, zu kontrollieren, ob neue Aneurysmen entstehen. Wichtig für die Patienten: Sie sollten möglichst keine Risiken eingehen, nicht mehr rauchen und den Blutdruck gut einstellen (lassen).