Halver/Groß Ridsenow. . Die Metalldiebe werden immer dreister. Selbst Kirchenglocken sind vor ihnen nicht mehr sicher. In Halver im Märkischen Kreis schraubten Unbekannte die Glocke von einem Stahlträger ab und hievten die 36 Kilogramm schwere Beute davon. Diesmal gelang ihnen der Coup in einem Kirchturm. Wann sich die Tat ereignete, wissen selbst die Bestohlenen nicht so genau.

Die Diebe kamen durch ein Holztor, und als sie gingen, war der Friedhof seiner wertvollen Glocke beraubt. „Es gibt Menschen, denen nichts heilig ist“, klagt Pastor Thomas Kretschmann. Die Kirchengemeinde Laage in Mecklenburg-Vorpommern war bis vergangenen Freitag das jüngste Opfer dreister Metalldiebe, die nach Dachrinnen, Blitzableitern und sogar Bahngleisen offensichtlich ein neues Objekt der Begierde ausgemacht haben: Kirchenglocken.

Doch dann schlugen Diebe – wie erst jetzt bekannt wurde – in Halver im Märkischen Kreis zu, schraubten die Glocke von einem Stahlträger ab und hievten die 36 Kilogramm schwere Beute davon. Diesmal gelang ihnen der Coup in einem Kirchturm. Wann sich die Tat ereignete, wissen selbst die Bestohlenen nicht so genau. Irgendwann zwischen Anfang August und Anfang September. Der Kirchturm muss offensichtlich verwaist gewesen sein – und fiel damit haargenau in das Beuteschema der Metalldiebe. Mehr ist nicht bekannt.

Nur einer von zahlreichen Fällen mit Metalldieben

Dies ist eine von zuletzt haufenweise Fällen: In Hoogstede (Niedersachsen), in Drübeck (Sachsen-Anhalt), in Jößnitz und Aue (Sachsen) sowie im schweizerischen Wynau – überall kamen im vergangenen Monat Glocken abhanden. Deshalb hat das Deutsche Glockenmuseum im westfälischen Gescher nun Alarm geschlagen: Kirchen, passt auf eure Glocken auf! „Wir wollen warnen, bevor die Masche Schule macht“, sagt Jan Hendrik Stens aus dem Vorstand des Glockenmuseums. Dieben gehe es dabei nämlich ausschließlich um den Rohstoffpreis, und der steige immer stärker, so Stens.

Die fünf skurrilsten Metalldiebstähle

Platz 5: Vier besonders skrupellose Diebe stahlen am Aschaffenburger Südbahnhof 22 Meter Schienen eines Abstellgleises. Sie montierten sie ab und verkauften sie an Altmetallhändler. Sie wurden bereits gefasst.

Platz 4: Im Windpark Wetzdorf kappten Diebe in 40 Meter Höhe 14 Versorgungsleitungen von Windrädern. Schaden: 50 000 Euro. Was die Diebe vermutlich nicht wussten: Die Stromleitungen standen teilweise unter Spannung.

Platz 3: Unbekannte haben aus einer Berufsschule in Lübeck 61 Heizkörper gestohlen. Sie waren wegen einer Renovierung abmontiert, wogen insgesamt sieben Tonnen und hatten einen Wert von 1500 Euro.

Platz 2: Eine 75-jährige Georgierin suchte Altmetall. Doch sie fand nur ein Glasfaserkabel, knackte es durch und nahm es mit. Blöd nur, dass sie damit das Internet in Teilen Georgiens und Armeniens ausgeschaltet hatte.

Platz 1: Dreister ist wohl wirklich keiner: Ein 29-jähriger Schrotthändler hat in Bosnien über Nacht eine zwölf Meter lange Eisenbrücke abmontiert, um sich so den Lebensunterhalt zu sichern. Er wurde gefasst. Die Brücke hatte er da aber schon in viele Teile zerlegt.

Die Zahlen sprechen für diese These: Während das Kilogramm Kupfer vor zehn Jahren noch 3,20 Euro einbrachte, sind es heute schon 5,20 Euro. Auch deshalb haben sich die Metalldiebstähle grundsätzlich in den vergangenen drei Jahren mehr als verdoppelt – von 626 auf 1425 Fälle im ersten Halbjahr. Jetzt also Glocken. Und schwere noch hinzu.

Es ist Juni, als Unbekannte zum ersten Mal versuchen, die 600 Kilo schwere bronzene Glocke zu stehlen. Der Versuch misslingt, warum auch immer. Die Gemeinde beauftragt daraufhin einen Gutachter und lässt die 600 Jahre alte Friedhofsglocke in ihrem frei stehenden Glockenstuhl fixieren. Im Gutachten wird später stehen: Diese Glocke ist eine der bedeutendsten in Mecklenburg-Vorpommern. Ihr Wert läge bei etwa 20.000 Euro. Der Sachverständige riet deshalb, die Glocke vom nicht mehr genutzten Friedhof in die Kirche zu verlegen. Als der Kirchenrat dem Vorschlag ein paar Wochen später zustimmt, war das jahrhundertealte Kulturgut vermutlich schon längst weg.

Amateurhafte Metalldiebe in Rostock von einer Überwachungskamera gefilmt 

Doch die Diebe waren nicht nur dreist, sondern auch noch amateurhaft und ohne jegliches Kulturwissen gesegnet: Sie brachten die Glocke bis ins 25 Kilometer entfernte Rostock zu einem Schrotthändler, bekamen dafür gerade einmal 1060 Euro und wurden dort auch noch von Überwachungskameras gefilmt. Ein paar Tage später haben die Ermittler die vierköpfige Bande aus dem nahen Umfeld gefasst.

Wer sich um seine Glocken sorgt, dem empfiehlt das Deutsche Glockenmuseum vor allem, alle frei zugänglichen Glocken zu sichern. Vor Kirchen abgestellte historische Glocken sollten zudem in geschlossenen Räumen aufbewahrt werden. Auch Geläut in frei stehenden Glockenstühlen seien begehrte Objekte von Dieben und benötigten eine spezielle Sicherung.

Glocke war bereits verschrottet worden

Die Glocke aus Groß Ridsenow ist inzwischen wieder aufgetaucht. Allerdings in unzählige Teile zerlegt. Als der Schrotthändler vergebens recherchierte, ob eine Kirche die Glocke vermisse, verschrottete er diese. Was er nicht ahnen konnte: Der Diebstahl war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht aufgefallen. Er erfuhr erst viele Tage später aus der Zeitung davon. „Das ist für uns trotzdem unerklärlich, dass er die verschrottet hat. Das ist alles so bedauerlich“, sagt Pastor Kretschmann.